Das Wunder von München – Ansporn für Kirchberg

Fast auf den Tag genau vor 58 Jahren legten die Borussen mit dem 2:0 beim FC Bayern den Grundstein für den Aufstieg in die Bundesliga

Unser Bild: Der Moment vor dem entscheidenden 0:2: Der Ball ist unterwegs zu Günter Kuntz (nicht mehr auf dem Bild), der nur noch den Fuß hinhalten muss. Die Bayern Franz Beckenbauer und Sepp Maier können nur noch zuschauen. (Foto: Ellenfeldverein / Archiv Borussia Neunkirchen)

Die Enttäuschung war spürbar im Ellenfeld. Auf dem Rasen, auf den Rängen. Mit 1:3 hatte die Borussia den Auftat zur Aufstiegsrunde gegen den SC Idar-Oberstein „vergeigt“. Oberliga-Träume ade? Noch nicht ganz. Es gibt noch eine Chance. Mit drei Toren Unterschied müssen sie nun heute in Kirchberg siegen, die Schwarz-Weißen, um das unmöglich Scheinende doch noch möglich zu machen. Doch Aufgeben gilt nicht. Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. So sprach auch Björn Klos unmittelbar nach der Partie gegen Idar-Oberstein von einer gewissen „Wut im Bauch, mit der wir nach Kirchberg fahren.“ Der Borussen-Trainer weiß, „dass im Fußball schon alles passiert ist, alles passieren kann.“ Kenner der Borussen-Historie kommt da unwillkürlich eine Geschichte in den Sinn, die fast auf den Tag des Kirchberg-Spiels genau 58 Jahre her ist. Eine Geschichte, die damals deutschlandweit für Aufmerksamkeit sorgte.

In der Aufstiegsrunde zur Bundesliga im Juni 1964 stand Südwestmeister Borussia nach einem 1:5-Fiasko bei Tasmania Berlin und einem 4:1 gegen den FC St. Pauli am Scheideweg. Zu Gast war am 14. Juni in der Gluthitze des Saarbrücker Ludwigsparks kein Geringerer als Südmeister FC Bayern München. Klangvolle Namen zierten damals das bajuwarische Ensemble: Sepp Maier, Franz Beckenbauer, Rainer Ohlhauser, Dieter Brenninger und Trainer „Tschik“ Cajkovski gehörten zu der Mannschaft, die sich – ähnlich wie die Borussen – ein Jahr zuvor zu Unrecht nicht in die Bundesliga versetzt gefühlt hatte und das jetzt in der Aufstiegsrunde schnellstmöglich nachholen wollte. Und das taten sie im Ludwigspark mit ihrer ganzen Routine, einer geschickten taktischen Einstellung und einem großartigen Sepp Maier zwischen den Pfosten, der nach 70 Minuten sogar einen Elfmeter von Erich Leist zu parieren wusste. Da führten die Bayern durch einen Ohlhauser-Treffer (23.) mit 1:0, 1:0 stand es auch am Ende. Borussias Bundesliga-Träume schienen ausgeträumt. Nur ein „Wunder“ könne den Borussen noch helfen, kommentierte die „Saarbrücker Zeitung“. So gut wie keiner gab auch nur noch einen Pfifferling für die Borussia.

Doch das Wunder wurde Realität. Regnerisch war es an jenem 20. Juni im Stadion an der Grünwalder Sraße. Die taktisch clever eingestellten Borussen trotzten, sich in der Rolle des Außenseiters sichtlich wohlfühlend, dem Druck des Gegners, setzten nadelstichartige Konter und hatten im 20jährigen Willi Ertz einen Keeper im Rücken, der eine Fülle von hochkarätigen Chancen vereitelte und sich den höchsten Respekt des 32.000köpfigen Münchener Publikums erspielte. Der zweite Borussen-Angriff nach 23 Minuten habe, so der „kicker“, zum 0:1 geführt, „als Kunstwadl den Kopfball von Melcher mit der Hand abwehren musste. Gegen Ringels Strafstoß war kein Kraut gewachsen.“ Der Borussen-Kapitän hatte sich auch durch die kurze Kommunikation mit „Ertl“ Erhardt nicht aus der Ruhe bringen lassen. „Schiaß daneben, ihr hobt´s eh koa Chance“, hatte der Bayern-Verteidiger Borussias Kapitän zu irritieren versucht. Doch der blieb cool („Ich hau ihn rein, vielleicht brauchen wir ihn noch!“) und schickte Maier in die falsche Ecke.

Der „Kicker“ berichtete ausführlich über den sensatonellen Sieg der Borussen (oben) und zeigt einen jubelnden Günter Kuntz nach seinem Tor zum 2:0 (unten).

„Nach diesem Führungstreffer“, so der „Kicker“ weiter, „machten die Neunkirchner erst recht dicht. Ringel, der zwar die Nummer 9 trug, und Melcher schirmten hinten ab, Pidancet war Sturmspitze.“ Der junge Franz Beckenbauer hatte sich seiner angenommen. Die Bayern hätten, vom erfolglosen Anrennen „deprimiert elf Minuten vor Schluß die endgültige Entscheidung hingenommen. Sie protestierten nicht einmal, weil Torschütze Kuntz klar im Abseits gestanden hatte.“ Eine Situation, die allerdings sogar für den Mann an der Führungskamera des Bayrischen Rundfunks zu schnell ging: Die Fernsehaufzeichnung konnte lediglich Zeitlupenbilder aus der Hintertor-Perspektive zeigen – eine Abseitsstellung ist hier natürlich nicht zu erkennen. Und den Kölner Videokeller hätte sich in dieser Zeit kein Funktionär auch nur in kühnsten Träumen vorstellen können!

Nach dem Spiel, so wusste die „Saarbrücker Zeitung“ zu berichten, „kamen Bayern-Leute in die Neunkircher Kabine, begehrten den Torwart zu sehen, drückten ihm die Hand, klopften ihm die Schultern und murmelten ein ums andere Mal: `So was haben wir hier noch nicht gesehen.´ Willi Ertz hat tatsächlich den Sieg der Borussen erst möglich gemacht.“ Eine Woche später stand nach dem 1:0 auf St. Pauli und dem 1:0 vor über 40.000 im Saarbrücker Ludwigspark fest: Borussia war in die Bundesliga aufgestiegen! „Langes Ertz hat gekostet FC Bayern eine Jahr Bundesliga“, radebrechte später der kugelrunde Bayern-Coach Tschik („Stummel“) Cajkovski.

Fast auf den Tag genau 58 Jahre später ist die Borussia in einer ähnlichen Situation gefordert, in der es – wie am 20. Juni 1964 – darum geht, eine eigentlich eher rechnerische Option in Realität zu verwandeln. „Im Fußball ist schon alles passiert, kann alles passieren.“ Wie ein Mantra hat Björn Klos seit Donnerstag versucht, diese Botschaft in die Köpfe seiner Schützlinge zu hämmern. Wie sowas geht, hat kürzlich auch Helmut Friberg erfahren. Der Hardcore-Fan von Hertha BSC, der auch die Borussia tief in seinem Herzen trägt und eigens zum Spiel gegen Idar-Oberstein angereist war, ist vor wenigen Wochen nach einer deprimierenden 0:1-Heimniederlage gegen den Hamburger SV als designierter Zweitligist mit seinen Herthanern nach Hamburg gefahren und bei nur ganz wenig Hoffnung doch noch als Bundesligist in die Hauptstadt zurückgekehrt!

Zwar heißt der Gegner für die Borussen nicht Hamburger SV, erst recht nicht FC Bayern München, zwar geht es nicht um den Sturz aus der oder den Sprung in die Bundesliga. Doch ein Aufstieg, egal in welche Liga, macht sich immer gut in der Vita eines Fußballers. Von den damit verbundenen Emotionen mal ganz abgesehen, die unter den besonderen Umständen wie jetzt (Relegation, auf fremdem Platz, Sieg mit drei Toren Unterschied notwendig) sicherlich nochmal von ganz anderer Qualität sein würden. In diesem Sinne: Auf geht´s, Borussen, Kopf hoch, nehmt Euer Herz in beide Hände, seid mutig und konzentriert, besinnt Euch auf Eure Stärken und versucht das schier unmöglich Scheinende! Macht es den Helden von München, Karl Ringel, Günter Schröder, Paul Pidancet, Günter Kuntz und wie sie alle heißen, nach und legt noch ein Tor drauf! Ihr seid nicht allein, die Borussen-Fans glauben an Euch! (-jf-) 

12 Kommentare

    • Was in Neunkirchen möglich wäre,hat man doch jetzt die beiden letzten Wochen wieder gesehen !!!
      Borussia in aller Munde ,alle wünschten sich den Aufstieg ,tja und dann wie so oft die letzten Jahre … war wohl nix und ich befürchte, die positive Stimmung wir jetzt ganz schnell wieder verschwinden, schade Borussia Neunkirchen !!!

  1. Nein; die Grund-Stimmung zu diesem Verein ist immer vorhanden und in den Köpfen vieler Neinkerjer.
    Das Wort „Tradition“ ist engstens mit der Borussia verknüpft.
    Wir sind halt kein Dorfverein (auch Schalke des Südwestens genannt)!!!

    Mit „Druck“ muss jeder Spieler, Trainer und auch der Sportvorstand bei Borussia umgehen können.
    Ansonsten sind einige Fehl am Platz.

    Nur über gute sportliche Leistungen und einen sehr guten Tabellenplatz kann etwas erreicht werden.
    Dann kommen auch die Zuschauer zurück.
    Man hatte es in dieser Woche gesehen.
    Borussia war bis zum SR-Fernsehen in aller Munde.
    Dann diese Enttäuschung!!

    Das heißt für die neue Saison, den Sportvorstand und den zukünftigen Trainer von Borussia die Ärmel richtig hochkrämpeln und mit der Arbeit beginnen.

    An Herr Klos (lieber, netter Mensch) ein Dankeschön und alles Gute in der Verbandsliga Nord … mit Merchweiler.

    • Naja die Grundstimmung ….
      Wie positiv diese Grundstimmung ist ,sieht man doch an den Zuschauerzahlen … Auch wenn es nur gegen viele kleine Dorfvereine geht kommen zu den Heinspielen einfach zu wenig !!! Da hat z.b. Furpach oder Altstadt in vielen Spielen mehr !
      Ich glaube,wenn Borussia nicht bald bessere Ergebnisse liefert, ist es ganz vorbei mit der Grundstimmung !!!

  2. Ich war zum Heimspiel gegen Quierschied aus purem Zufall nach langen Jahren mal wieder im Ellenfeld, im Schlepptau meinen Sohn und seinen besten Kumpel (beide 13). Seitdem alle Heimspiele mitgenommen, auswärts beim TUS Herrensohr dabei – okay, für uns Dudweilerer näher als die Heimspiele im Ellenfeld – auch heute in Kirchberg dabei. Auf der Rückfahrt im Auto die Dauerkarte für die nächste Saison in der Saarlandliga fest in´s Budget eingeplant.
    Mein Höhepunkt des Tages waren die beiden Jungs aus der NK-Fanszene, die mit einem Wassereimer bewaffnet meinen Söhnen eine kühle Erfrischung über die Mützen gegossen haben. Natürlich vorher freundlich angefragt.

    Ganz klar: Wir sind 22/23 wieder dabei!!!!!!!

  3. „Lieber netter Mensch“ (bezogen auf den Trainer), wird hier geschrieben.
    Alles gut und schön, aber reicht das im Sport. In meinen Augen geht es um Erfolg.
    Wie lange war er jetzt an der Seitenlinie tätig? 3 1/2 oder sogar 4 1/2 Jahre.
    Warum wurde er verpflichtet?
    Das klare Ziel hieß Aufstieg.
    So lange wie er bekam seitdem ich die Borussia schaue (seit 2001 ca) noch kein Trainer Zeit was aufzubauen.
    Das Fazit ist ernüchternd:
    Weiteres gegurke in die abgelegenen Dörfer nach Bliesmengen, Freisen und Co. Na da kommt dich Freude auf.
    Ich habe lieber ein unbequemes „Arschloch“ als Trainer als einen Liebling der Massen der sportlich nix zu Stande bringt!!!

  4. @ Rafael Müller
    Die Allianz 2025 wurde ja gerade für eine bessere Zukunft ins Leben gerufen. Hier kann jeder der sonst nur über alles meckert für relativ wenig Geld mitmachen. Je mehr mitmachen umso besser die Zukunft.allerdings könnte der Verein mal Abschlusstermine für die Allianz veröffentlichen

  5. Wäre Borussia Aufgestiegen, würden jetzt natürlich andere Beiträge hier stehen,ich wäre aber trotzdem der Meinung, Klos passt besser nach Merchweiler,als nach Neunkirchen !!! Zu Herrn Persch sag ich lieber nichts … [ zu gefährlich ] …

  6. Wie gesagt, wäre die Borussia Aufgestiegen….
    Trainer Klos hatte es oft nicht leicht,das muss man ihm auch zu gestehen ,zu wenig Spieler u.s.w. aber jetzt ist ein neuer da und das Thema damit erledigt!
    Der Vorstand mit Persch / Eisenhut macht was in ihrer Macht steht,ich möchte garnicht wissen,was aus der Borussia geworden wäre,wenn diese zwei bei manchen Situationen nicht da gewesen wären !
    Ich bin eigentlich FcS Fan ,mit Borussia verbindet mich mein Vater und Opa die grosse Borussenfans sind und die tollen Zeiten erlebt haben …. Ich wünsche der Borussia wirklich ganz viel Glück und möchte es jetzt hier gut sein lassen … Gruss aus Saarbrücken !!!

Kommentar hinterlassen