Ein Märchenprinz für Borussia?

Ein Beitrag von Raimund Eich, der das Stadionmagazin „Blick ins Ellenfeld“ mit vielen interessanten Kolumnen bereichert hat

Ganze 120 Jahre wird sie in diesem Jahr alt, im Juli und damit zur schönsten Zeit des Jahres. Ein stolzes Alter für eine Grande Dame, die sich in all den Jahren auf der Bühne des Lebens am liebsten in schlichten Farben schwarz und weiß präsentiert hat. Auf sattem Grün hat sie mit ihrer Kunst die Herzen der Zuschauer oft im Sturm erobert, hat spielerisch mitunter die tollsten Tänze aufgeführt und durchaus auch erstaunliche Kapriolen geschlagen. Lange Zeit durfte sie sogar auf den größten Bühnen spielen, von vielen bewundert, geliebt und verehrt.

Irgendwann im Laufe der vielen Jahrzehnte haben Tatkraft und Erfolg bei ihr jedoch allmählich nachgelassen, anfangs noch kaum wahrnehmbar, aber die Zeit macht bekanntlich nur vor dem Teufel halt. So blieben die einst großen Auftritte und tollen Erfolge nach und nach leider immer öfter aus. Es reichte einfach nicht mehr, um auf den großen Bühnen vor zahlreichem Publikum die ganz großen Begeisterungsstürme zu entfachen. Und heute, nach 120 Jahren, tritt sie nur noch in einem überschaubaren Umkreis auf relativ kleinen Bühnen auf.

Ich durfte sie vor etwa 65 Jahren kennen und lieben lernen, als sie noch bundesweit bekannt war und mit spektakulären Auftritten den ganz Großen in ihrem Genre die Stirn bot. Es gab nichts Schöneres für mich, als sie bei Ihren glanzvollen Auftritten auf heimischer Bühne zu bewundern. Ich war mächtig stolz darauf, dass sie meiner Heimatstadt viel Ehre machte.

Von wem ich die ganze Zeit rede, möchten Sie jetzt wohl wissen? Alte Verehrer, so wie ich zum Beispiel, können es sich vielleicht schon denken. Borussia heißt sie, die einst große Dame in schwarz-weiß, und beheimatet ist sie in Neunkirchen, der zweitgrößten Stadt des Saarlandes. Ihre heimische Bühne ist das Ellenfeldstadion, eine wunderschöne Arena, die nicht zu Unrecht unter Denkmalschutz steht.

Doch eine alte Dame wie die Borussia kann man nicht unter Denkmalschutz stellen. Das ist auch gut so, aber man könnte ihr doch wenigstens eine kräftige Frischzellenkur verpassen, mit der sie wieder wachgeküsst und zu neuem Ruhm und Ehre erweckt wird, so wie einst Dornröschen von einem Märchenprinzen.

Zugegeben, so ganz billig wäre eine derartige Frischzellenkur sicherlich nicht, und Märchenprinzen sind in der heutigen Zeit leider auch Mangelware. Zudem verirren sie sich allenfalls selten in unserer Region. Bisher jedenfalls. Allerdings, bei unseren Nachbarn in Saarbrücken und Elversberg sind ja immerhin schon welche vorbeigekommen. Warum also die Hoffnung aufgeben, die bekanntlich zuletzt stirbt?

Meiner Borussia würde ich beispielsweise einen stattlichen orientalischen Märchenprinzen wünschen, zu denen bekanntlich ja auch Ölscheichs gehören. Allerdings möchte ich mich bei der Prinzenherkunft keineswegs festlegen. Und so bleibt mir nichts weiter übrig, als zu hoffen, dass der eine oder andere von diesen Edelmännern meine Zeilen vielleicht liest und sich auf den Weg macht.

Es steht zwar kein Stern über dem Ellenfeld, aber Go Borussia, unser phantastisches Vereinslied, könnte diesbezüglich vielleicht wegweisend sein, vorausgesetzt, dass es lange und laut genug gesungen wird. Die anstehende Feier zum 120jährigen Geburtstag der Grande Dame wäre doch eine gute Gelegenheit für so einen Märchenprinzen, in den vielstimmigen Chor mit einzustimmen, der da lautet:

   Go Borussia, zusammen steh’n und Siege seh’n,
   Go Borussia, wir lassen 1.000 Fahnen weh’n…