Die „Mutter aller Saar-Derbys“ – ein historischer Streifzug (1)

Am kommenden Samstag, dem 23. März (Anstoß: 14.00 Uhr), treffen im Achtelfinale des Saarlandpokals mit der Neunkircher Borussia und dem 1. FC Saarbrücken zwei alte Rivalen aufeinander

Unser Bild: Frühes Derby zwischen Borussia und dem FCS auf dem Sportplatz im Lantertal – die Borussen sollen 8:0 gewonnen haben. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen)

Für viele ist es die „Mutter aller Saar-Derbys“. Das Achtelfinalspiel im Sparkassen-Pokal Saar zwischen der Borussia und dem 1. FC Saarbrücken wirft nicht nur seine Schatten bereits voraus, sondern elektrisiert die Fußballfreunde in beiden Lagern. Borussia gegen FCS – ein Derby mit großer Historie, ein Derby voller Geschichten und Emotionen.

Ein Spiel mit viel Tradition, ein Derby eben. Dabei streiten sich die Fußballgeister über den Ursprung des Begriffs Derby. Die wohl interessanteste Theorie kommt aus England und erklärt, dass zu einer Zeit, da das Spiel noch nicht viel mit dem heutigen Sport gemeinsam hatte, in England Dorfgemeinschaften gegeneinander antraten, um einen Ball mit allen erdenklichen Mitteln so weit wie möglich in die gegnerische Ortschaft zu befördern. Mangels fester Regeln wurde der Ball nicht zwingend mit dem Fuß vorangetrieben – alles war erlaubt! Ein ganz besonderes Event war das Fußballduell in Derby: Da traten die Pfarrbezirke All Saints und St. Peter´s mit bis zu 1000 Teilnehmern regelmäßig gegeneinander an. Zu einem echten Derby gehört folglich eine gewisse lokale Nähe. Dass damals auch Tote dazu gehörten, ist heute – Gott sei Dank! – nicht mehr der Fall.

„Dicke Luft“ im Borussen-Strafraum – Szene aus dem Regionalliga-Derby 1966 im Ellenfeld. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Dass das Nachbarschaftsduell der beiden größten Städte des Saarlandes Tradition hat, ergibt sich schon aus dem Alter der beiden Clubs, die sich Anfang des Jahrhunderts (1. FCS 1903, Borussia 1905) gründeten. Die erste sportliche Begegnung, von dem verlässlich berichtet wird, wurde noch im Lantertal ausgetragen – die Borussen schickten den Vorläufer des heutigen FC, den FV Saarbrücken, mit 8:0 geschlagen nach Hause. Für die Verbandsspiele der Saison 1910/11, in der die Borussen die erste Meisterschaft in der B-Klasse gelang, werden zwei weitere Siege (8:1 und 6:0) vermeldet, auch ein Jahr später gewannen die Borussen zweimal gegen den FVS (5:4, 2:0). In den folgenden Jahren bis zum zweiten Weltkrieg spielten beide Clubs noch öfter gegeneinander, doch in einer Liga spielten sie selten. Die Borussia war anfangs besser aufgestellt, gehörte in den 20er-Jahren, als der österreichische Zauberfußballer Adolf Fischera im Ellenfeld wirbelte, zu den besten fünf Vereinsmannschaften in Europa, wie einschlägige Fußballmagazine dieser Zeit zu berichten wissen.

Nach dem Krieg begannen sich die Verhältnisse zu drehen. Die ersten beiden Duelle waren Freundschaftsspiele: Im September unterlagen die Borussen in Saarbrücken 0:5, konnten sich im Rückspiel mit 2:1 revanchieren. Insgesamt aber hatten die Blau-Schwarzen jetzt die Nase vorn. Von vier Oberliga-Derbys in den Jahren 1946 bis 1953 konnten die Borussen nur noch eines (2:0) gewinnen – ausgerechnet in dem Jahr (1952), indem der FCS sogar das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft erreichte, wo die Malstätter dem VfB Stuttgart nur denkbar knapp mit 2:3 unterlag. Nach wechselvollen Spielen Mitte der 50er sorgten die Borussen am 22. März 1959 mit einem 6:0-Erfolg im Ludwigspark für Aufsehen. Es begann die traditionsbildende Zeit der Borussen mit dem aus Fürth gekommenen Kapitän Karl Ringel, Ewald Follmann, Dieter Harig und Torjäger Rudi Dörrenbächer. Auf dem Weg ins DFB-Pokalfinale 1959 (2:5 gegen Schwarz-Weiß Essen) hatten die Borussen auch beim 1. FC Saarbrücken mit 1:0 gewonnen.

Rassiges Regionalliga-Derby im November 1966: Hans Linsenmaier (oben und unten) schoss die Borussen mit zwei Treffern zum 2:0-Sieg, 25.000 Zuschauer im proppenvollen Ellenfeld-Stadion bildeten eine tolle Kulisse. (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Für viel Verdruss und das Entstehen aller möglichen Verschwörungstheorien sorgte 1963 die Zusammensetzung der neuen Bundesliga, in der nach wenig transparenten Kriterien der 1. FC Kaiserslautern und der 1. FC Saarbrücken den Fußball-Südwesten vertraten. Die Borussen, mit einem Meister- und vier Vizemeistertiteln, fünf Teilnahmen an der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft in Folge und als Pokalfinalist 1959 die sportlich erfolgreichste Mannschaft in den fünf Jahren zuvor, mussten außen vor bleiben. Einzig und allein das Erreichen des Endspiels um die Deutsche Meisterschaft 1963 hätte für eine Aufnahme in die neue Elite-Liga gesorgt, doch nach einer 2:5-Heimniederlage im Gruppenspiel ausgerechnet im Ludwigspark-Stadion des ärgsten Rivalen verpassten die Borussen den Final-Einzug. An der Legende vom ersten Bundesligaskandal wurde jetzt gestrickt.

Gruß vom Ellenfeld in die Landeshauptstadt: Konter der Borussen-Fans im Sommer 1964 nach dem Aufstieg in die Bundesliga, während der FCS zurück in die Regionalliga musste. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen)

In der „Saarbrücker Zeitung“ (SZ) hieß es damals: „Es war eine Saison voller Misere, voller Zurücksetzung und aufreibender Behandlung durch eine starre Sport-Justiz. Was soll eine Mannschaft noch mehr tun als fünfmal hintereinander in die Endrunde zu kommen? Was kann ein Verein noch mehr bieten als die 50jährige ununterbrochene Zugehörigkeit zur höchsten Spielklasse?“ Sicher, es gab auch andere Härtefälle – nachzufragen zum Beispiel bei den Bayern in München, bei den Alemannen in Aachen und den Kickers in Offenbach, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Aber, so schreibt die „SZ“ weiter, „unter allen Härtefällen bei der Auswahl der neuen Bundesligisten ist Borussia Neunkirchen der härteste. Diese Elf hat einen Platz in der Bundesliga wirklich verdient!“ Und in der „Neunkircher Zeitung“ war zu lesen: „Der besten Mannschaft des Südwestens wurde die Zugehörigkeit zur obersten deutschen Liga auf Wegen verbaut, die man getrost krumm nennen darf, weil sie auf keinem Meter gerade waren.“ So muss es nicht verwundern, dass man in Neunkirchen den Bundesliga-Aufstieg der Borussia 1964 und den gleichzeitigen Abstieg des 1. FCS so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit bzw. eine Art Karma betrachtete. Fortsetzung folgt! (-jf-)

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