„Den hohen Favoriten ein bisschen ärgern“

Borussia in Wiesbach nur Außenseiter / Hertha kann Sekt kaltstellen: Bei eigenem Sieg und Jägersburger Niederlage am Sonntag kann der FC Bayern der Saarlandliga auf dem Sofa Meister werden

Unser Gegner: Dass die Hertha aus Wiesbach (Vorbild bei der Namensgebung im August 1908 war der bereits 16 Jahre zuvor gegründete Berliner Fußballclub Hertha!) auch in diesem Jahr zu den Top-Favoriten auf den Aufstieg in die Oberliga gehört, war vor Saisonbeginn eigentlich klar. Der 2023 abgestiegene Club hatte die direkte Rückkehr in die Oberliga nur knapp und auf eine Weise verpasst, die an Dramatik kaum zu überbieten war. Zur Erinnerung: In einer denkwürdigen Aufstiegsrunde waren die Herthaner mit einer 2:3-Niederlage beim Rheinlandmeister SG Mülheim-Kärlich gestartet, konnten diese aber mit einem 3:1 auf eigenem Platz gegen Südwestmeister Viktoria Herxheim wettmachen. Bei der finalen Begegnung in Herxheim waren die Wiesbacher zum Zuschauen verdonnert und mussten – wie zur Salzsäule erstarrt – zur Kenntnis nehmen, dass die Viktoria, die zum Aufstieg einen Sieg mit vier Toren Unterschied benötigte, in einer äußerst großzügig bemessenen Nachspielzeit von rund 12 Minuten die benötigten Treffer erzielte. Nach 90 Minuten stand es noch 1:1 – Mülheim-Kärlich wäre aufgestiegen. Nach 90 + 10 Minuten hieß es 4:1, der Aufsteiger hätte jetzt Wiesbach geheißen. Doch dann schlug Viktoria zum 5:1 zu, da waren aufgrund zweier roter und einer gelb-roten Karte nur noch 8 Mülheimer Akteure auf dem Platz!

Dass der Saisonstart der Hertha danach nicht rund lief, hat vielleicht auch etwas mit dieser Geschichte zu tun. Die Schwarz-Gelben taten sich schwer reinzukommen. 10 Punkte nach 9 Spielen – da hatte man sich mehr erwartet! Mit dem 3:1 gegen Merchweiler am 10. Spieltag konnten die Schwarz-Gelben den Schalter dann aber umlegen, holten in den nachfolgenden 16 Spielen 15 Siege (und 46 Punkte) – eine nahezu unglaubliche Serie, die erst am 6. April mit dem 0:1 bei den Preußen in Merchweiler zu Ende ging!

Mit diesem Aufgebot steht die Hertha aus Wiesbach dicht vor der Rückkehr in die Oberliga. (Oben / Foto: fupa net). Coach Michael Petry (li.) und einer seiner Torjäger Sören Maas (re.) – ihn vermisste Wiesbachs Trainer beim 0:2-Pokalaus im Ellenfeld vor einigen Wochen schmerzlich! (Unten / Fotos: -jf-)

Der Trainer war allerdings vor Saisonbeginn mit einer Zielvorgabe bewusst vage geblieben. „Wir wollen vorne mitspielen, unsere junge Mannschaft weiter entwickeln und dann sehen, was am Ende dabei herauskommt“, ließ er sich von SZ-Redakteur Philipp Semmler in einem Gespräch entlocken. Mit Elias Wüschner (Spvgg Quierschied), Jona Schmitt (SC Reisbach), Gabriel Posse (RW Hasborn), Nico Zimmer (Hellas Bildstock) und dem torgefährlichen Dominik Kaiser (TuS Koblenz) haben wichtige Spieler das Prowin-Stadion verlassen. Im Gegenzug hat sich die Hertha im Sommer überwiegend mit jungen Leuten verstärkt. Dazu hat Alexio Brauer, der von Saarlandliga-Absteiger Bliesmengen-Bolchen nach Wiesbach kam, die Offensive wesentlich belebt. Apropos Offensive: Sie ist mit 88 Treffern, die „auf die Kappe“ von 10 verschiedenen Schützen gehen,  die mit Abstand beste der Liga – die Hertha kann also fast doppelt so viele „Einschläge“ vorweisen wie die Borussia (47)! Gleich vier Spieler trafen zweistellig, vorne weg Pascal Piontek (20) und Yannik Haupts (16), die mit 12 Assists auch zu den Top-Vorbereitern der Liga gehören. Auch die Bilanz von Alexio Brauer und Sören Maas (je 13 Tore) kann sich sehen lassen.

Die Ausgangssituation: Hertha Wiesbach kann bei einem Sieg gegen die Borussia dann am Sonntag- vergleichbar mit dem FC Bayern in der Bundesliga, „auf dem Sofa“ Meister werden und den Aufstieg feiern, falls Verfolger FSV Jägersburg sein Heimspiel gegen die Spvgg Quierschied verlieren sollte. Aber selbst bei einem Unentschieden in Jägersburg und einem Wiesbacher Sieg bestünden aufgrund des klar besseren Torverhältnisses der Hertha wohl nur noch theoretische Zweifel am Titelgewinn, zumal Wiesbach nach dem Auswärtsspiel in Limbach zum Saisonfinale mit dem TuS Herrensohr im Pro-Win-Stadion eine lösbare Aufgabe erwartet. Die Borussen müssen sich also auf einen stürmischen Gegner einstellen, der mit aller Macht und seiner gut geölten Angriffsmaschinerie (22 Tore in den letzten fünf Partien!)  seine Hausaufgaben machen und für den Fall X am Sonntag gerüstet sein möchte. Doch kampflos will sich Borussia trotz nach wie vor schwieriger Personalsituation nicht geschlagen geben. „Wir wollen den Favoriten schon ein bisschen ärgern“, hat Coach Jan Berger seinen Jungs auf die Fahnen geschrieben.

Einziger „Überlebender“ vom letzten Borussen-Liga-Sieg gegen Hertha Wiesbach: „Urgestein“ Tim Cullmann war schon im September 2015 beim 3:2 im Ellenfeld dabei. (Foto: -jf-)

Die bisherige Bilanz fällt eindeutig zugunsten der Hertha aus. Sowohl in diversen Testspielen als auch in gemeinsamen zwei Jahren Saarlandliga (nach Wiesbachs Abstieg 2023) blieben die Borussen zogen die Borussen den Kürzeren. Den letzten Sieg gab es am 19. September 2015 noch in der Oberliga mit 3:2. Trainer der Borussia damals: Der heutige Wiesbacher Coach Michael Petry! Andreas Cordt Flätgen, Godmer Mabouba und Moussa Dansoko hatten die Hertha-Führung durch Björn Recktenwald in ein 3:1 gedreht, ehe Carsten Ackermann kurz vor Schluss eine Ergebniskorrektur gelang. Das Hinspiel zur morgigen Partie war eine ziemlich klare Angelegenheit: Sören Maas hatte die Wiesbacher im Ellenfeld schon mit der ersten Aktion in Front geschossen, Alexio Brauer und Pascal Piontek hatten nach knapp einer Stunde mit zwei weiteren Treffern alles klar gemacht. Lichtblick in der ansonsten eher düsteren Borussen-Bilanz: Der 2:0-Sieg im Viertelfinale des diesjährigen Saarlandpokals sollte zu einem mutigen Auftritt in Wiesbach motivieren!

Schiedsrichterin des Spiels im Pro-Win-Stadion ist die oberliga-erfahrene Alessia Jochum (Foto oben / -jf-), die auch das Viertelfinalspiel zwischen beiden Teams vor wenigen Wochen geleitet hat. Die 28jährige Lehrerin für Sport und Religion pfeift für den 1. FC Riegelsberg und gehört zu den Top-Referees im saarländischen Fußballverband. Als ehemalige Spielerin hat Alessia Jochum einige Vorteile, gerade was die Beurteilung von Zweikämpfen, das Spielverständnis oder die körperliche Fitness angeht. An der arbeitet sie weiter – bis zu fünf Trainingseinheiten stehen pro Woche auf dem Programm. Im Februar 2022 schaffte sie mit dem Ablegen aller erforderlichen Leistungsprüfungen beim DFB für den persönlichen Aufstieg in die 2. Frauen-Bundesliga, bei den Herren ist sie bis zur Oberliga einsatzberechtigt. Alessia Jochum wird an den Seitenlinien unterstützt von Bedirhan Ahmed Kalabalik und Mirko Lang.. Wir wünschen dem Unparteiischen-Team eine gelungene Spielleitung! (-jf-)