Borussia auf der Achterbahn

Verpatzte Anfangsphase führt zu einer 1:2-Niederlage in Primstal / Tim Kleins 12. Saisontreffer reicht nicht zu Punktgewinn / In der Offensive trotz vieler Spielanteile zu wenig zwingend

„Da sind wir also auf diesem kurvigen, uns so vertrauten Lebensweg mit diesen verrückten Hochs und so tiefen Tiefs. Ich weiß wirklich nicht, warum.“ Das Leben ist wie eine Achterbahn: Mal ist man am Boden zerstört und kurz darauf erlebt an etwas Wunderschönes. Diese Berg- und Talfahrt durchs Leben hat der niederländische Sänger, Musiker und Songwriter Danny Vera in seinem 2019 erschienenen Lied „Roller Coaster“ einfühlsam besungen. Seine Worte gelten auch für das Fußballleben: Denn auf der Achterbahn fühlen sich derzeit alle, die es mit der Borussia halten. Am gestrigen Samstag mussten die Jungs aus dem Ellenfeld beim VfL Primstal nach zuletzt zwei Siegen (4:2 gegen Köllerbach und 4:1 in Bischmisheim) die vierte Rückrunden-Niederlage hinnehmen. Trotz viel Einsatzbereitschaft, Kampfmoral und Ballbesitz reichte es nach einem frühen 0:2-Rückstand am Ende nicht zu mehr als dem 1:2-Anschlusstreffer von Tim Klein.

Bild mit Symbolcharakter: Während sich der VfL Primstal über drei wichtige Punkte im Kampf um den Liga-Verbleib freute, ist Borussias Sebastian Cullmann an alter Wirkungsstätte der Frust über die Niederlage förmlich anzusehen. (Foto: -jf-)

Auf die Frage nach dem „Warum“ hat Trainer Thorsten Lahm aber – anders als Danny Vera – eine klare Antwort: „Wir machen durch Unkonzentriertheiten Fehler, die zu Gegentoren führen, den Gegner aufbauen und uns letztlich die Punkte kosten.“ Der Borussen-Coach, der auf die verletzten Philippe Persch Kamil Czeremurzynski, Nico Purket, Dominik Jost und Danny Kleinbauer verzichten musste, sprach im Allerswald-Stadion sogar von „Geschenken, die wir dem Gastgeber mitgebracht hatten.“ Was er damit meinte: Schon nach drei Minuten lagen die Mannen im Kapitän Marco Dahler 0:1 hinten. Nach einem langen Schlag von Leon Theobald war Jannik Schulz seinem Bewacher Christoph Stemmler einteilt, Maximilian Strack konnte den Schuss noch abwehren, aber unglücklicherweise genau vor die Füße von VfL-Torjäger Steffen Haupenthal, der ziemlich unbedrängt das Leder mit einem geschickten Heber im kurzen Toreck versenkte. Dylan Sodji versuchte zwar, mit letztem Einsatz das Unheil noch zu verhindern, prallte aber derart hart mit der rechten Hüfte an den Torpfosten, dass er zur Halbzeit mit Prellung und Bluterguss ausgewechselt werden musste. Nur gut mehr als zehn Minuten später sprintete Pascal Limke mitten im Aufbauspiel der Borussen in einen Pass von Maximilian Strack auf Marco Dahler (Thorsten Lahm: „Vielleicht zu kurz geraten oder Marco hätte ihm entgegenlaufen müssen“), bediente erneut Steffen Haupenthal, der im Fünf-Meter-Raum freistehend nur noch einschieben musste.

Zwischenfazit nach den ersten 20 Minuten: Die Borussen hatten die Anfangsphase regelrecht verschlafen, Primstal dagegen war von Beginn an aggressiver. So sah es auch VfL-Trainer Nicola Lalla: „Wir haben es geschafft, von der ersten Minute an Präsenz zu zeigen und taktisch total diszipliniert zu agieren, die Körperspannung war sofort da. Und das hat uns den Weg geebnet, mal abgesehen davon, dass ein frühes Tor immer gut ist.“ Genau das hätte sich auch sein Gegenüber Thorsten Lahm gewünscht: „Wir müssen daran arbeiten, die Fehler zu vermeiden und auch mal selbst wieder in Führung zu gehen und uns dadurch selbst den Rücken zu stärken. Denn dann können wir auch richtig gut Fußball spielen. Das haben wir ja schon oft genug bewiesen“, so der Borussen-Coach, der nach dem 0:2 aber beobachten konnte, wie seine Schützlinge die Partie von Minute zu Minute besser in den Griff bekamen und sich viel Ballbesitz und Spielanteile erkämpften und erspielten. Der verdiente Lohn: Der Anschlusstreffer von Tim Klein, der nach Flanke von Florian Stopp eine Kopfballvorlage von Simon Schreibeisen aufnahm und das Leder, das vom Innenpfosten ins lange Toreck sprang, im Primstaler Netz versenkte.

Das konnte das 2:2 sein: Nach Tim Cullmanns Vorlage zielte Florian Stopp kurz nach der Pause zu hoch. (Foto: -jf-)

Die beste Ausgleichschance gleich nach dem Seitenwechsel vergab Florian Stopp, der einen weiten Diagonalpass von Tim Cullmann direkt nahm, aber am rechten oberen Toreck vorbeizielte (53.). Auch Simon Schreibeisen hatte kein Schussglück: Nach gut einer Stunde strich sein strammer Schuss nach Steilpass von Florian Stopp über das Tor. Zwischendurch mussten die Borussen aber immer wieder defensiv aufpassen, denn die auf Konter setzenden Gastgeber waren bei ihren schnellen Gegenstößen stets gefährlich. Beispiel: So verpasste der in der Mitte des Fünf-Meter-Raums blank stehende Jannik Schulz nach scharfer Hereingabe von Pascal Limke das 3:1, weil Christoph Stemmler aufgepasst hatte und den Ball von der Torlinie schlug. Thorsten Lahm hatte mittlerweile mit der Einwechslung von Kevin Saks die Offensive verstärkt, doch richtig Zwingendes sprang trotz aller Bemühungen nicht heraus. Die Borussen schnürten jetzt phasenweise den Gegner in der eigenen Hälfte ein, doch auch ein Dauerbombardement des Primstaler Gehäuses zwischen der 65. und 70. Minute brachte nicht den gewünschten Erfolg.

„Wir sind halt nicht die Mannschaft, um mit der Brechstange so ein Ding noch zu drehen, dafür sind einige sicher auch noch zu grün hinter den Ohren. Auch der kleine Kader spielt da eine Rolle“, resümierte Thorsten Lahm, der nach dem Abpfiff dem Gegner einen „nicht unverdienten Sieg“ und seinen Schützlingen im Spielerkreis bescheinigte, „das Spiel im Großen und Ganzen im Griff gehabt zu haben, aber ohne richtig zu überzeugen. Wir müssen das als Lernphase begreifen und die Fehler reduzieren, dann werden wir auch im Verlauf der Saison noch schöne Erfolge feiern können.“ Die Defizite in der Anfangsphase nahm der Coach auch auf seine Kappe, „weil wir hinten mit einer Dreier-Kette angefangen, das aber nicht hinbekommen haben. Wir brauchen in der Defensive eine stabile Vierer-Kette“, so Thorsten Lahm und bemühte implizit ebenfalls die Achterbahn-Metapher: „Wir sind derzeit eine Mannschaft, die jeden Gegner schlagen, aber auch gegen jeden Gegner verlieren kann.“

Sandwich: Zwischen VfL-Kapitän Marc Pesch (li.) und Leon Theobald (Nr. 23) eingeklemmt versucht sich Marco Dahler im Kopfballtrio zu behaupten, Nico Christmann (re.) schaut gespannt zu. (Foto: -jf-)

Auf Primstaler Seite herrschte derweil viel Zuversicht, aber keineswegs eitel Sonnenschein: „Mit 36 Zählern sind wir angesichts der Tatsache, dass bis zu fünf Mannschaften absteigen können, noch nicht auf der sicheren Seite. Aber der heutige Sieg war Gold wert und ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, ordnete VfL-Trainer Nicola Lalla den Erfolg seiner Truppe ein. Für den Blick auf die vorderen Plätze brauchen die Borussen nach jetzt 26 Spieltagen ein Fernglas. Aber was realistischerweise auf jeden Fall noch geht: „Wir können und wollen Favoriten wie Homburg und Quierschied noch ärgern“, versuchte Thorsten Lahm seine sichtlich enttäuschten Jungs aufzumuntern, denen zu wünschen ist, dass sie auf der Achterbahn der Saarlandliga-Saison 2022/23 bald wieder die Höhen erklimmen, die zu erreichen sie in der Lage sind. Für den treuen Borussen-Anhang dagegen sollte gelten, was der irische Pop-Sänger Ronan Keating in seinem im Jahr 2000 erstmals erschienen Song „Life is a rollercoaster“ besingt: „Etwas, was du wissen solltest: Wohin du auch gehst, sag´s mir, denn da will ich mit!“ (-jf-)

Statistik: VfL Primstal – Borussia 2:1 (2:1)

Borussia: Maximilian Strack – Michael Müller, Florian Stopp, Marco Dahler (C), Simon Schreibeisen (ab 80. Sebastian Cullmann), Tim Klein, Niklas Allenfort, Nico Christmann (ab 59. Kevin Saks), Christoph Stemmler, Tim Cullmann, Dylan Sodji (ab 46. Daniel Schlicker). – Trainer: Thorsten Lahm.

Tore: 1:0 (3.) Steffen Haupenthal, 2:0 (16.) Steffen Haupenthal, 2:1 (31.) Tim Klein. – Schiedsrichter: David Uhl (DJK St. Ingbert). – Zuschauer: 267. – Gelbe Karten Borussia: Daniel Schlicker. Michael Müller.

Unsere Bilder zeigen Eindrücke vom Spiel der Borussia in Primstal. (Fotos: -jf-)

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