„Bin i Radi, bin i König!“

Petar Radenkovic: Eine Torwart-Legende der Bundesliga wurde 90 Jahre alt / Dreimal zu Gast im Ellenfeld – zweimal ging er dabei leer aus, feierte mit 9:1 aber auch einen triumphalen Sieg

Ein Unikat. Etwas Einzigartiges. Das ist jeder Mensch. Niemanden gibt es in exakt gleicher zweifacher Ausführung. Doch unter den Unikaten gibt es manches Unikum. Das Einzigartige unter dem Einzigartigem, das ganz Besondere unter allem Besonderem. Ein solches Unikum war ganz sicher der frühere Bundesliga-Torwart Petar Radenkovic. Publikumsliebling, Spaßvogel, Schlagersänger, Entertainer, Dribbelkönig, „König von Giesing“ oder „bestes Torwart von Welt“, als den er sich mit einem Augenzwinkern gerne bezeichnete – diese Attribute treffen auf den Mann, der am vergangenen Dienstag 90 Jahre (!) alt wurde, eigentlich alle zu. Wir gratulieren Petar Radenkovic, wünschen für die Zukunft alles Gute und blicken zurück, auch auf Spiele des Torhüters gegen die Borussia.

Das Licht der Welt erblickte der kleine Petar am 1. Oktober 1934 in Belgrad, spielte zunächst in seiner Geburtsstadt für den OFK. Weil ihm später ein Wechsel zum Spitzenclub Roter Stern verweigert wurde, landete er zunächst beim Südwest-Regionalligisten Wormatia Worms, ehe er sich 1962 den Münchener „Löwen“ anschloss. Dabei wäre Radenkovic beinahe gar nicht in der bayrischen Hauptstadt gelandet. Denn eine Teilnahme am Oktoberfest und die Trinkfestigkeit mancher Mannschaftskameraden hatten ihn geschockt. „Wir saßen im Bierzelt, links von mir der Rudi Brunnenmeier, der trank drei Maß. Rechts der Stemmer Fonsi, der kam auf sieben Maß. Ich dachte mir: Um Himmels willen, was ist das für eine Mannschaft“, erzählte er später einmal. Aber genau mit dieser Mannschaft prägte auch der Torhüter die bislang erfolgreichste Ära des Clubs: Süddeutscher Meister 1963, DFB-Pokalsieger 1964, Europapokal-Finalist 1965 (0:2 gegen West Ham United). Deutscher Meister 1966, Deutsche Vizemeister 1967. Nach dem Abstieg der „Sechzger“ aus der Bundesliga beendete „Radi“ 1970 nach 215 Erstligaspielen seine Karriere.

Oktober 1964 im Ellenfeld: „Flieger“ Radenkovic verhindert bei der 0:3-Niederlage seiner „Löwen“ mit reflexartigen Paraden weitere Gegentore (oben), dirigiert seine Abwehr oft vergeblich und nimmt am Ende die Niederlage mit Humor (unten). (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Da hatte er schon über 400.000 Schallplatten mit seinem Song „Bin i Radi, bin i König“ verkauft, erreichte damit Platz 5 der deutschen Single-Charts. Nach der Fußball-Karriere verdiente Radenkovic sein Geld als Gastronom, unterhielt „Radis Treff“ in Oberschleißheim, ein Hotel auf der Schwanthalerhöhe und einen „Wienerwald“ in Unterhaching. Zudem arbeitete er als Dressman für eine Schweizer Textilfirma. Radenkovic entwickelte – wie Gladbachs Kapitän Günter Netzer – neben dem Platz viel Geschäftssinn. Nach dem Tod seiner Gattin Olga, einer jugoslawischen Basketball-Nationalspielerin, kehrte er in seine Geburtsstadt Belgrad zurück. In München ist er hin und wieder noch zu Gast, eine seiner beiden Töchter lebt hier, die andere wohnt in London.

„Torhüter und Linksaußen haben alle einen an der Klatsche.“ Radenkovics Trainer bei den „Löwen“, Max Merkel, wird dieses Zitat zugeschrieben. Macken hatte zweifellos auch „Radi“. Dazu gehörten seine legendären Ausflüge aus dem Tor heraus, die sich zu seinem Markenzeichen entwickelten. „Sein Ziel sei es, erklärte er mir, mich auf Rechtsaußen zu überholen, bis zur Grundlinie vorzustoßen und dem Rudi Brunnenmeier eine Flanke aufzulegen“, erzählt sein früherer Mitspieler Fredi Heiß in einem „Kicker“-Interview. Bis weit in die gegnerische Hälfte hinein dribbelte Radenkovic, umspielte gegnerische Spiele oder lief mit dem Ball wie ein gelernter Außenverteidiger an der Linie entlang. Und trieb damit sowohl seinen Mitspielern als auch seinen Trainern oft genug eine gehörige Portion Angstschweiß auf die Stirne. Doch meistens ging es gut. Fredi Heiß weiß auch von einer anderen Macke zu berichten: „Vor zehn Uhr brauchtest du gar nicht mit dem Radi zu rechnen. Selbst seine Frau musste sich danach richten: Kein Frühstück vor zehn, kein Fußball vor zehn.“

Sechsmal kreuzte der legendäre Keeper von 1860 München in seiner Karriere auch die Klingen mit der Borussia, gewann dabei mit den Löwen viermal, während die Borussen zweimal die Nase vorn hatten. Nur einmal konnte Radenkovic seinen Laden sauber halten: Beim 5:0 der Münchner am 18. November 1967 im Stadion an der Grünwalder Straße. Im Ellenfeld erlebte er zwei völlig unterschiedliche Gastspiele: Während am 24. Oktober 1964 selbst der renommierte und erfahrene Torhüter gegen den Bundesliga-Aufsteiger aus der Hüttenstadt alt aussah und gleich drei Gegentore kassierte, feierte er dagegen am 16. April 1966 auf dem Weg zur Deutschen Meister mit 9:1 einen großen Triumph gegen die Borussen. (-jf-)

Borussia zähmt die Löwen

Die Löwen sind los! Vor mehr knapp 60 Jahren fieberten die Fußballanhänger im ganzen Saarland dem Gastspiel des traditionsreichen Münchener Clubs entgegen. Die 60er kamen als Tabellensechster mit Blick Richtung Tabellenspitze als klarer Favorit ins Ellenfeld, dessen Umbau am 9. Spieltag der Saison 1964/65 noch in vollem Gange war. Kahl und nackt ragten die Betongerippe der aufgeständerten neuen Haupttribüne und Spieser Kurve in den grauen Herbsthimmel. Doch die Gestalt der Arena ließ sich bereits erahnen, als die Gäste mit den Nationalspielern Bernd Patzke und Rudi Brunnenmeier, dem legendären Torwart Petar Radenkovic und Trainer Max Merkel ins Stadion kamen.

Einer der Löwen hatte bereits Jahre zuvor gegen die Borussen einen fulminanten Sieg errungen: Mittelfeldspieler Hansi Küppers war beim 5:2-Sieg seines vorherigen Vereins Schwarz-Weiß Essen 1959 gegen die Borussia mit dabei und hoffte auch diesmal auf einen Erfolg. Doch das Ellenfeld sollte für die 60er zur Löwengrube werden. Denn mit purer Schönspielerei war gegen den hoch motivierten Aufsteiger aus der Hüttenstadt kein Blumentopf zu gewinnen. „Kampf gegen Technik 3:0 – diese Kurzformel mutet zwar etwas grobkörnig an, doch die Löwen gingen aufgrund fehlenden Einsatzes unter.“ So ließt sich die Zusammenfassung der 90 Minuten auf der Website fußballdaten.de. Lediglich die Münchner Abwehrrecken Bernd Patzke und Hansi Reich stemmten sich vehement gegen die Niederlage, die am Ende auch durchaus höher hätte ausfallen können.

Die Vorentscheidung im Ellenfeld: Heiden hat für Paul Pidancet aufgelegt, der schießt zum 2:0 ein (oben) und dreht jubelnd ab, Petar Radekovic (vorne) liegt geschlagen am Boden (unten). (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Vom vielgerühmten Angriff der Gäste hatten sich die Zuschauer im Ellenfeld mehr erwartet. Aber Erich Leist hatte Torjäger Brunnenmeier an die Kette gelegt, auch von Alfred Heiß war nichts zu sehen. Anders die Borussen: Über den Kampf tankten sie ihr Selbstbewusstsein auf und wagten sich erfolgreich an Präzision und Technik heran. Vor der Halbzeit noch umständlich und zögerlich, steigerten sich die Schützlinge von Trainer Horst Buhtz nach der Pause in die bis dahin besten Saisonleistung hinein. Paul Pidancet legte das 1:0 vor (48.), die beiden Dieters (Harig und Schock) schwangen sich zu spielbestimmenden Figuren auf und setzten die Offenivakzente. So fielen die weiteren Tore zwar spät, aber folgerichtig: „Durchbrecher“ Heiden legte für Pidancet auf, der erneut die Nerven behielt (80.), ehe Elmar May nach Vorbereitung von Günter Kuntz zum Endstand von 3:0 traf – die Löwen waren endgültig gebändigt!

Für die Borussia spielten an jenem 24. Oktober 1964: Horst Kirsch – Erich Leist, Dieter Schock, Hans Schreier, Günter Schröder, Erwin Glod, Dieter Harig, Paul Pidancet, Günter Heiden, Günter Kuntz, Elmar May. 1860-Coach Max Merkel hatte folgendes Aufgebot aufs Feld geschickt: Petar Radenkovic – Stefan Bena, Bernd Patzke, Hans Reich, Manfred Wagner, Wilfried Kohlars, Hans Küppers, Otto Lutttrop, Rudolf Zeiser, Alfred Heiß, Rudi Brunnenmeier.

Endstation Peter Radenkovic: Zuerst für Elmar May (oben), dann für Günter Kuntz (unten). (Fotos: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Alle Neune gegen Neunkirchen

Sie gehört sicher zu den bittersten Niederlagen, die die Borussia in ihrer traditionsreichen Geschichte einstecken musste. Vor mehr als 58 Jahren war der spätere deutsche Meister 1860 München im Ellenfeld zu Gast. Die ambitionierte Mannschaft von Trainer Max Merkel, mit Nationalspielern gespickt, tat sich anfangs schwer, trumpfte aber mit zunehmender Spieldauer mehr und mehr auf. Am Ende eines alles andere als alltäglichen Bundesligaspiels mussten die Schützlinge von Coach Horst Buhtz die Überlegenheit der Löwen neidlos anerkennen, die – in der Keglersprache gesprochen – auf der Ellenfeld-Bahn alle Neune trafen.

„Wer nach 30 Minuten auf ein 1:9 getippt hätte“, ist in der Rückschau des Sportmagazins „Kicker“ zu lesen, „wäre nur mitleidig angeschaut worden. Neunkirchen spielte im ersten Drittel prächtig auf, lieferte eines seiner schwungvollsten Spiele. (…) Aber blitzartige Löwen-Treffer nach kleinen Unachtsamkeiten warfen die Borussen aus der Bahn.“

Herr der Lüfte: „Radi“ ist vor Günter Kuntz (re.) am Ball und kann klären. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Der Knackpunkt des Spiels war sicherlich der Doppelschlag der 60er in der 34. Minute, als Alfred „Fredi“ Heiß nach Timo Konietzkas 0:2 direkt vom Anstoß weg das 0:3 nachlegte und damit Peter Grossers Führungstreffer (17.) vorentscheidend ausbaute. Von diesem Schock erholten sich die Borussen nicht mehr. Erst recht nicht, nachdem erneut Heiß unmittelbar vor der Pause das Ergebnis auf 0:4 stellte. Da konnte auch der Anschlusstreffer von Günter Kuntz zum 1:5 nach knapp einer Stunde keine Wende mehr bewirken. Hans Küppers, der 7 Jahre zuvor mit Schwarz-Weiß Essen im DFB-Pokalfinale den Borussen beim 5:2 schon einmal „eingeschenkt“ hatte, Hans Rebele und erneut Peter Grosser trafen für die die Löwen, ehe Mittelstürmer Alfred Heiß an diesem Nachmittag seinem Namen alle Ehre machte und – offensichtlich „heiß wie Frittenfett“ mit den beiden letzten Toren nach 77 Minuten das muntere Scheibenschießen beendete.

Hansi Küppers (weiße Hose) trifft gegen Radenkovic-Pendant Willi Ertz im Borussen-Tor – eines von neun Toren der „Löwen“ im Ellenfeld. (Foto: Ellenfeld-Verein e.V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Die Borussen hätten im Laufe des Spiels dem Gegner zu viel Spielraum im Mittelfeld gelassen, kritisierte die „Saarbrücker Zeitung“ (SZ), die Löwencoach Max Merkel auch einen taktischen Glücksgriff attestierte: „Der setzte Neunkirchens Mittelstürmer Görts den kleinen Jugoslawen Perusic vor die Nase und schon war die Borussia nur noch die Hälfte wert.“ Kapitän Günter Kuntz konnte die Hoffnungen, die man im Ellenfeld auf ihn setzte, nicht erfüllen und fand seinen Meister in Nationalverteidiger Bernd Patzke. Zudem kam Heinz Simmets Einsatz nach Verletzungspause noch zu früh. Aus der Borussen-Elf, die – so die SZ – dem Gegner technisch unterlegen war, seien Torwart Willi Ertz und Stopper Günter Heiden hervorzuheben: „Ertz verhinderte eine noch höhere Niederlage, Heiden störte entschlossen Konietzkas Kreise.“ Dass der „Kicker“ seinen Beitrag überschrieb: „Das 1:9 sagt nicht die Wahrheit“, konnte die Borussen wahrlich nicht trösten!

So sanken nach dem Abpfiff die Aktien auf einen Klassenerhalt erheblich, wiewohl die Borussia in den beiden nächsten Spielen durch überraschende Siege bei Eintracht Frankfurt (2:1) und gegen Braunschweig (1:0) im Ellenfeld noch einmal ein paar Hoffnungsfünkchen glimmen ließ. Doch spätestens nach dem 0:2 in der Schalker Glückauf-Kampfbahn am 32. Spieltag stand die Rückkehr in die Regionalliga Südwest fest. Die Löwen dagegen gingen im Saisonfinale den umgekehrten Weg: Die Spielzeit 1965/66 fand für die Blauen aus Giesing ein meisterliches Ende! (-jf-)

2 Kommentare

  1. .. ja, Herr Dr. Richter da stimme ich ihnen zu .. von Borussia bleiben nur noch schöne Erinnerungen .. sonst ist mittlerweile alles verblasst .. mehr als traurig .. wie auf einem Friedhof ..

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