So nah wie nie am Finale!

Aus der traditionsreichen Geschichte der Borussia / Vor 57 Jahren: Die Endrunde um die deutsche Fußballmeisterschaft / Kleine Serie – heute Teil 1: Der Weg unter die besten Acht des Landes

Unser Bild zeigt die Borussen-Mannschaft, die sich 1963 in der letzten Endrunde vor Einführung der Bundesliga so prächtig geschlagen hat. Oben v.l.: Gold, Harig, May, Kuntz, Melcher, Ringel, Leist, Pidancet, Schock, Trainer Hans Pilz. Unten v.l.: Backes, Schreier, Ertz, Kirsch, Berg, Schröder. (Foto: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga.)

Die Teilnahme am DFB-Pokalfinale 1959 (2:5 gegen ETB Schwarz-Weiß Essen) ist zweifellos der bislang größte Erfolg in der nunmehr fast 115jährigen Geschichte der Borussia. Auch der Aufstieg in die Bundesliga 1964 ist nach wie vor unvergessen und im kollektiven Gedächtnis aller Borussen-Fans und des Fußball-Saarlandes immer noch präsent. Fast vergessen ist aber ein weiteres Highlight der traditionsreichen Borussen-Historie. Denn damals fehlte nicht viel, und die Borussen hätten in ihren „goldenen Jahren“ auch das Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft (und dort vielleicht sogar mehr) erreicht – als dritte saarländische Mannschaft nach dem FV Saarbrücken (1943 im Berliner Kriegs-Endspiel 0:3 gegen den Dresder SC) und dem 1. FC Saarbrücken (1952 in Ludwigshafen 2:3 gegen den VfB Stuttgart). Nie war die Mannschaft aus dem Ellenfeld näher an diesem Ziel als 1963, als sie sich einen Platz unter den acht besten deutschen Clubs erkämpft hatte und in der Endrunde ein einziger Sieg zur Finalqualifikation fehlte! Mit einer kleinen Serie blicken wir in lockerer Folge zurück auf die spannenden Spiele, die sich in diesen Tagen zwischen dem 25. Mai und dem 22. Juni 1963 zum 57. Mal jähren. Spiele, die insofern eine Ära beendeten, als im deutschen Fußball das Kapitel Oberliga zu- und mit der Einführung der Bundesliga ein neues (Erfolgs)Kapitel aufgeschlagen wurde.

Diese letzte Oberliga-Saison hatte es in der Tat in sich. Denn schon bevor der erste Ball rollte, wurde am 28. Juli 1962 im Goldsaal der Dortmunder Westfalenhalle die vielleicht wichtigste sportpolitische Entscheidung der Nachkriegszeit getroffen: Mit großer Mehrheit beschloss der Bundestag des DFB die Einführung der Fußballbundesliga zum 1. August 1963. Anschließend begann das „Hauen und Stechen“ um die begehrten 16 Startplätze. Der Funktionäre hatte eine viel diskutierte und mehr als umstrittene 12-Jahres-Wertung ins Spiel gebracht. Sie hatte zur Folge, dass die Borussia in der Saison 1962/63 schon das Finale erreichen musste, um einen Platz in der neu geschaffenen Elite-Liga beanspruchen zu können. Und das, obwohl sich die Borussen von 1959 bis 1963 gleich fünfmal hintereinander im Südwesten für die Endrunde qualifiziert hatten!

Dieser Erfolgsdruck lastete natürlich wie eine Zentnerlast auf den Schultern der Schützlinge von Trainer Hans Pilz. Doch bis zum Herbst 1962 lief in der Oberliga alles glatt, Borussia gehörte mit den Pfälzer Traditionsclubs 1. FC Kaiserslautern und FK Pirmasens zum Spitzentrio. Dann kam die große Krise: Mit der 1:2-Niederlage bei den Roten Teufeln begann der Nervenkrieg, eine verunsicherte Borussia rutschte ab und fand sich plötzlich im Mittelmaß wieder. Die Winterpause kam gerade zur rechten Zeit. Mit dem Tauwetter stellte sich auch der Erfolg wieder ein. Die Borussen konnten wieder gewinnen. In einem dramatischen Finish gelang es erst am letzten Spieltag, den bis dahin Zweitplatzierten FK Pirmasens zu überrunden: Die Borussia schlug den BSC Oppau im Ellenfeld klar und hatte damit ihre Pflichtaufgabe erfüllt. Dass offenbar nicht mehr allzu viele an eine Endrunden-Chance glaubten, beweist die Zuschauerzahl: Lediglich 2.500 wollten das Saisonfinale gegen die Ludwigshafener Vorstädter sehen. Doch ihr Jubel nach Spielende war riesengroß, als die Kunde die Runde machte, dass der FK Pirmasens auf dem Koblenzer Oberwerth bei TuS Neuendorf überraschend mit 0:1 verloren hatte. Das bedeutete für die Borussia: Zum fünften Mal in Folge war die Qualifikation für die Endrunde geschafft! Dabei war die Tabellensituation am Ende ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Borussia, der FK Pirmasens und die Wormser Wormatia wiesen die gleiche Punktzahl auf (41:19) – die Borussen hatten jedoch gegenüber der Konkurrenz (FKP: 2,10 / Wormatia 1,94) den besseren Torquotienten (2,13). Hätte auch damals schon die Tordifferenz den Ausschlag gegeben, hätten die Pirmasenser (+43) die Nase vor Borussia und Worms (beide +34) deutlich vorne gehabt! Die Borussen verdankten den Erfolg vor allem der Heimstärke. Im Ellenfeld gewann lediglich die Wormatia aus Worms (1:0), ansonsten gab es 12 Siege und nur 2 Unentschieden, dabei ein 2:2 gegen den alten Rivalen 1. FC Saarbrücken, der in der Abschlusstabelle einen Zähler hinter der Borussia auf Platz 5 landete.

Nach schwerer Verletzung in der Endrunde nicht mehr dabei: Der Ausfall von Torjäger Rudi Dörrenbächer (rechts) war für Borussia nur schwer zu kompensieren. (Foto: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Doch man schleppt auch ein Handicap mit sich herum. Denn in den Spielen um den deutschen Titel muss auf den gefürchteten Torjäger Rudi Dörrenbächer verzichtet werden. Was ist passiert? Ostern 1963 gastiert die Borussia beim VfR Frankenthal. In der 18. Minute schraubt sich Dörrenbächer, gerade mal zwei Wochen nach seinem 30. Geburtstag, hoch in den Pfälzer Himmel und köpft seine Mannschaft mit 1:0 in Führung. Doch schon den Torjubel seiner Kameraden bekommt der Stürmer nicht mehr mit. Denn Frankenthals Torhüter Rößler ist bei seinem Abwehrversuch um Sekundenbruchteile zu spät gekommen und trifft Dörrenbächer ohne Absicht mit der Faust an der Schläfe. Der verliert das Bewusstsein und stürzt ohne jede Reaktion „wie ein nasser Sack“ (so seine Mitspieler) auf den noch gefrorenen Boden. Mit einem Schädelbasisbruch wird Borussias Goalgetter nach Ludwigshafen ins Krankenhaus eingeliefert, wo er einige Wochen im Koma liegt. Fußball spielt er danach nie wieder. Sein Oberliga-Rekord (136 Tore in 168 Spielen) hat in den Annalen der Borussia für immer Bestand. „Wäre der Rudi Dörrenbächer nicht so schwer verunglückt, hätten wir das Finale und damit auch die Bundesliga 1963 geschafft“, davon ist Borussias damaliger Kapitän Karl Ringel noch heute überzeugt.

Letztmaliges Oberliga-Duell mit dem alten Rivalen aus Saarbrücken: Borussia (hier mit Paul Pidancet, weißes Trikot) und der FCS trennten sich im proppenvollen Ellenfeld 2:2. (Foto: 90 Minuten – mit Ferdi Hartung in die Bundesliga)

Die acht Qualifikanten wurden zwei Gruppen zu je vier Mannschaften zugelost. Als Teilnehmer der Endrunde standen neben der Borussia fest: Hamburger SV (Meister Nord), Hertha BSC (Meister Berlin), 1. FC Köln (Meister West), 1860 München (Meister Süd), 1. FC Kaiserslautern (Meister Südwest), Borussia Dortmund (Vizemeister West) und der 1. FC Nürnberg, der sich als Süd-Vize in einem Relegationsspiel gegen den Nordzweiten Werder Bremen mit 2:1 durchgesetzt hatte. Man konnte die knisternde Spannung im Ellenfeld förmlich spüren, als das Ergebnis der Auslosung die Runde machte: Die Borussen bekamen es mit dem Hamburger SV, 1860 München und Borussia Dortmund zu tun! Erster Gegner war kein Geringerer als der Deutsche Meister von 1960: Der HSV sollte mit den Seeler-Brüdern am 25. Mai nach Neunkirchen kommen. Da das Ellenfeld-Stadion zu klein war, stand ein Umzug in den Saarbrücker Ludwigspark ins Haus. Doch die Erinnerungen an Hamburg waren auf Borussen-Seite alles andere als positiv: In der Endrunde 1960 hatte der HSV auf seinem Weg zum Titelgewinn der Borussia gleich zweimal (4:0 / 6:0) gehörig das Fell über die Ohren gezogen. Die Kehrseite der Medaille: Diese Ergebnisse besaßen ausreichend Potential für Revanchegelüste …

Im zweiten Teil (am kommenden Montag, 25. Mai) in unserer kleinen Serie: Als die Borussen den großen HSV entzauberten!

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