11FREUNDE-Tag ist Feiertag! Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme und das Fußballmagazin lugt aus dem Briefkasten, ist ein spannender, unterhaltsamer Abend garantiert. Bei einem guten Glas Rotwein und dem würzigen Geschmack meiner Tabakpfeife lasse ich Artikel für Artikel jede Zeile genießerisch auf der geistigen Zunge zergehen. Themen der deutschen und internationalen Fußballkultur abseits der Spielergebnisse stehen im Zentrum, oft originell und humorvoll gehalten, auf jeden Fall packend geschrieben. Der bekennende Fußballfan kommt dabei ebenso auf seine Kosten wie der Liebhaber einer anspruchsvollen literarischen Berichterstattung.
So war es auch gestern wieder. Vor dem Lesen erst einmal locker Durchblättern, die Themen checken, Fotos anschauen, wie man sie nicht jeden Tag zu sehen bekommt. Auf Seite 62 bleibe ich wie gebannt hängen. Auf einem ganzseitigen Bild blickt mich das Ellenfeld-Stadion an. Oben in luftiger Höhe auf der Spieser Kurve, die eigentlich keine Kurve ist, sitzt eine junge Dame. Ihr zu Füßen in all ihrer grandiosen Schönheit: Die traditionsreiche ehemalige Bundesliga-Arena. Jeder Stein atmet die Geschichte der Bundesliga-Gründerzeit. Man möchte sich am liebsten dazu setzen und eintauchen zurück in die große Zeit der Borussia. Eine Zeit, in der ein blonder Engel namens Elmar May nicht nur die Herzen der Borussen-Fans, sondern auch der Neunkircher Mädels im Sturm eroberte. Eine Zeit, in der ein Willi Ertz mit tausend Armen die gegnerischen Stürmer in hoffnungslose Verzweiflung trieb. Eine Zeit, in der ein Günter Schröder, hart wie Neunkircher Stahl, mit kompromisslosem Einsatz seinen Kontrahenten den Schneid abkaufte. Eine Zeit, in der ein Günter Kuntz die Fäden zog, in denen sich manch ein großer Club mehr als ihm lieb war verhedderte. Eine Zeit, in der ein Rudi Dörrenbächer Tore am Fließband produzierte wie die Neunkircher Eisenwerke das Roheisen.
„Na, ganz alleine hier?“ Eine Überschrift, die Interesse weckt, ein Thema, das seit Jahren schon im Ellenfeld-Stadion Spieltag für Spieltag präsent ist: Groundhopper. Fast jeden Samstag tauchen sie aus aller Herren Länder auf dem Mantes-la-Ville-Platz auf, Männer allen Alters, ausgerüstet mit Rucksack und Kamera, auf der Jagd nach Stadien, meist alten. Während die Borussen-Fans das Geschehen auf dem grünen Rasen verfolgen, sind sie unterwegs, oftmals nur an ihren Silhouetten erkennbar, die sich 15 Meter hoch auf der Westtribüne schemenhaft gegen den hellen Himmel abheben. Bei Borussias Stadionbeauftragtem Professor Dr. Jens Kelm sind sie gut aufgehoben. Stadionführungen durch das Ellenfeld haben eine hohe Qualität und erfreuen sich maximaler Beliebtheit.
Genau wie die Fußballer auf dem grünen Rasen sammeln Groundhopper Punkte. Sogar Länderpunkte. Dabei ist es heutzutage im Internetzeitalter leichter, Spiel- und Anstoßzeiten zu recherchieren. Trotzdem sind Enttäuschungen vorprogrammiert, immer wieder werden Spiele kurzfristig abgesagt, verschoben. Groundhopping war lange Zeit eine Männerdomäne. „Doch es verändert sich, zumindest ein bisschen. Es wird offener, diverser, weiblicher. Das sagen fast alle Groundhopperinnen, mit denen wir gesprochen haben“, lese ich im 11FREUNDE-Beitrag. Vier Frauen, der Sammelleidenschaft von Stadien verfallen, erzählen von ihren Erlebnissen und ihrer Begeisterung in einer männlich dominierten Subkultur. Mareike (50) aus Frankfurt hat 170 Länderpunkte, hat auf der ganzen Welt Fußballspiele besucht. Jessica (37) aus Siegburg hat über 350 Grounds gesehen, auf Gran Canaria sogar einmal sechs an einem Tag! Wiebke (36) aus Wilhelmshaven hat ihren Sohn fast immer dabei: „Er ist 9 und hat schon 30 Länderpunkte“ erzählt sie. Ihre Vorlieben: „Grounds, die ein bisschen schmutzig und kaputt sind. Pflanzen, die durch rissige Stufen von Stehtribünen dringen.“ Linnéa (29) aus Berlin reist seit 2016, als Fan des FC Bayern hat sie den Club in viele bekannte Arenen begleitet, gibt aber offen zu: „Beim Groundhopping mag ich den alten Charme lieber. Stadien mit Wiedererkennungswert. Orte, die weit weg sind, von der Plastikwelt des großen Fußballs.“ Im Ellenfeld-Stadion sind die beiden da genau richtig. Aber wie lange noch? Ob sie schon bei der Borussia waren? Wenn nicht, meine Damen, dann wird es höchste Zeit! Jens Kelm steht auf jeden Fall für eine spannende Stadiontour jederzeit bereit.
Apropos: Stadien mit Wiederkennungswert. Wie wahr! Als Junge und eifriger Schauer der traditionellen „ARD-Sportschau“ jeden Samstag um 17.45 Uhr konnte ich früher nach einer Minute sagen, in welchem Stadion gespielt wird. Auch ohne Hinweis des Kommentators. Das ist heute schwieriger. Alles sieht gleich aus, ziemlicher Einheitsbrei. Dafür ist es, keine Frage, in den Stadien komfortabler. Früher war alles besser? Nein, anders! Wer was lieber mag, muss letztlich jeder für sich entscheiden.
Eine gute Entscheidung ist es auf jeden Fall, die neue 11FREUNDE-Ausgabe zu lesen. Nicht nur wegen des Artikels über Groundhopperinnen, zu dem auch der Beitrag mit spektakulären Bildern über Herthas altes Stadion „Plumpe“ in Berlin-Wedding perfekt passt. Das Interview mit Freiburgs Christian Günter lohnt die Lektüre ebenso wie der Einblick in das Leben von Fans eine kleinen Drittligisten im Ausland („Verlweh und Wehnsucht“) oder das Porträt des Ex-Meppeners Dennis Undav, der – mit Aufsteiger Union Saint Gilloise auf dem Weg zum Titel – sich anschickt, belgische Fußballgeschichte zu schreiben. Für mich jedenfalls war der 11FREUNDE-Abend auch diesmal wieder hundertprozentig gelungen. Und das lag ganz sicher nicht allein am Rioja Reserva und dem Pfeifentabak! (-jf-)
Zur Information:
11FREUNDE – der Name der Zeitschrift geht auf den deutschen Trainer Richard Girulatis zurück, der vor mehr als hundert Jahren erstmals den Begriff „Elf Freunde“ auf dem Fußballplatz prägte. Später adaptierte der bayrische Autor Sammy Drechsel den Spruch „Elf Freunde müsst ihr sein“ für seinen gleichnamigen Jugendbuch-Klassiker um den Berliner Jungen Heini Kamke. Das Magazin, 2000 erstmals herausgegeben von Chefredakteur Philipp Köster und mittlerweile auch online vertreten, stößt auf ein durchweg positives Echo. So erklärte „Der Spiegel“ die monatlich erscheinende Zeitschrift zu „Deutschlands bestem Fan-Magazin“, die „Frankfurter Allgemeine“ hält sie für „hierzulande einzigartig“, und der „Berliner Tagesspiegel“ spricht von einem „etwas anderen Kicker“. 2014 wurde die Redaktion als „Redaktion des Jahres“ ausgezeichnet, weil das Magazin „immer wieder neue Maßstäbe an Leselust und Fachkenntnis setze“ (Mediumagazin). 2017 erhielt „11FREUNDE“ den Deutschen Sportjournalistenpreis in der Sparte „Sport-Fachzeitschriften“. Die Auflage beträgt derzeit knapp 65.000 Exemplare, mit denen etwa 1 Million Leser erreicht werden.
Wieder einmal ein großartiger Beitrag von Jo Frisch, dem Neunkircher Stadionschreiber aus Trier, der ältesten Stadt Deutschlands, der unserer Borussia in einzigartiger Weise die Treue hält. Jo müsste eigentlich Neunkircher Ehrenbürger werden und auf jeden Fall ein Ehrenmitglied bei Borussia Neunkirchen. Herzlichen Dank, Jo!
Jo schreibt wunderbare Beiträge. Das ist gut für Borussia.
Liebe Grüße aus den Niederlanden und wir kommen dieses Jahr auf jeden Fall wieder nach Neunkirchen. ⚽️⚫️⚪️👌🏻🍻
Wunderbar geschrieben,das zeigt mal wieder,
das aus Trier “ die BESTEN BORUSSEN kommen.
Sehr schöner Bericht