Einer der größten Erfolge der Vereinsgeschichte

Heute vor 100 Jahren: Borussia süddeutscher Pokalsieger / Adolf Fischera (2) und Karl Regitz sorgen für den 3:2-Triumph über den FV Nürnberg / 50 Neunkircher Schlachtenbummler aus dem Häuschen!

UPDATE: Mit neuen bisher unveröffentlichten Fotos am Ende des Beitrages!

Unser Bild: Die Schwarzen Teufel aus dem Ellenfeld präsentieren sich vor dem Pokalfinale 1921 gegen Nürnberg dem Publikum im Stuttgarter Stadion Degerloch. Rechts neben Torhüter Reinert Österreichs Internationale Adolf Fischera, spielentscheidende Figur im Pokalfinale. (Foto: Hoch lebe Eisen. Lese- und Bilderbuch zum 75jährigen Bestehen der Borussia)

Der 12. Juni 1921 nimmt in den Annalen der Borussia eine besondere Stellung ein. An diesem heißen Frühsommertag errang die Mannschaft aus dem Ellenfeld gegen den FV Nürnberg einen der größten Erfolge der Vereinsgeschichte: Den Gewinn des süddeutschen Pokals! Der Triumph, dem ein 2:1-Halbfinalsieg gegen den FSV Frankfurt im Ellenfeld den Weg geebnet hatte, tröstete ein wenig darüber hinweg, dass die Borussen nach überlegener Meisterschaft in der ersten Saar-Spielklasse im Kampf um den Bezirkstitel gegen Hessenmeister Mainz 05 und Rheinmeister Phönix Ludwigshafen den Kürzeren gezogen hatte. Die Fachleute waren sich einig: Die Sensation des Pokalfinales vom 12. Juni 1921 bestand darin, dass es nicht vom 1. FC Nürnberg, der Spvgg Fürth, dem SV Waldhof Mannheim, Eintracht Frankfurt oder dem Karlsruher FV – damals allesamt führende Clubs in Süddeutschland – bestritten wurde. Allesamt waren diese bereits in den Runden zuvor auf der Strecke geblieben.

Die beiden Endspielteilnehmer FV Nürnberg und die Borussia aus Neunkirchen hatten eines gemeinsam: Einen überragenden Spieler in ihren Reihen! Während auf FVN-Seite Ludwig Philipp, Nürnbergs erster Nationalspieler der Vorkriegszeit, die Fäden zog, war der Wiener Adolf Fischera im Borussen-Trikot die spielbestimmende Figur. „Er hatte ein schmales, fast vornehmes Gesicht, großartige Fußballerbeine mit mächtigen Muskeln“, heißt es geradezu schwärmerisch in Borussias Chronik zum 50jährigen Vereinsjubiläum. Fischera hatte bei der Wiener Viktoria mit dem Kicken begonnen, nach einem kurzen Gastspiel bei der Vienna kam er im Trikot des Wiener Athletik Club (WAC) groß heraus, stand bald auch in Österreichs Nationalmannschaft. „Einer der glanzvollsten Spieler Wiens, ein wunderbarer Techniker und Dribbler“, schrieb Willy Schmieger in seinem Büchlein „Der Fußball in Österreich“, der Fußballarchivar Karl Kastler erkannte in ihm sogar ein „Fußballgenie, wie es nur alle heiligen Zeiten einmal geboren wird.“ Borussen-Boss Erich Menzel hatte das „Genie“ nach dem ersten Weltkrieg von Germania Schwechat, wo der Familienvater seit 1918 lebte, ins Ellenfeld gelotst.

Spielszene aus dem Finale im Stadion Degerloch (oben). Stolz präsentieren Mannschaft, Verantwortliche und Fans die gewonnene Trophäe (unten). (Fotos: Mythos Elleneld – 100 Jahre Borussia Neunkirchen)

Und in Neunkirchen erlebte die Spielkunst Adolf Fischera eine neue Blüte. „Er ist noch einmal jung geworden, denn er spürt eine großartige Gemeinschaft, die auf ihn eingeht, gehorsam, einsichtig, willig“, heißt es in Borussias Chronik. Auch dem Pokalfinale im Stuttgarter Stadion „Degerloch“  drückte der Wiener seinen Stempel auf. „Da stehen sie auf dem sonnenheißen Feld, in grünem Trikot die Nürnberger, in ihrem tiefen Schwarz die Neunkircher. Das Schwarz, das berühmt geworden war, im ganzen Süden“, heißt es in einem Spielbericht. Ein Schwarz, indem die Borussen wirbeln, dass dem Gegner Hören und Sehen vergeht. Ein Schwarz, das der Elf aus dem Ellenfeld den Namen „Die schwarzen Teufel“ einbringt. Die Nürnberger drängen zu Beginn, erzielen reihenweise Eckbälle. Doch das Defensivbollwerk der Borussen steht. Mit zunehmender Spieldauer wird Adolf Fischera jetzt zum „Jäger auf der Pirsch“, schlängelt sich immer wieder in den Strafraum vor und feuert seine Schüsse ab. Mit zwei Toren bringt er seine ganz in Schwarz gekleideten Schwarzen Teufel aus dem Ellenfeld in Führung und die etwa 50 mitgereisten Schlachtenbummler schier aus dem Häuschen.

Der Spielbericht vermeldet weiter: „Kurz vor der Halbzeit vermag der Stratege und Balkünstler Philipp ein Tor aufzuholen. Die zweite Hälfte wurde noch schöner. Die Spieler vergaßen die Sonne, Die Grünen werden immer schneller und spielen nur noch flach. Sie wollen den Ausgleich. Aber auch die Neunkircher hetzen den Nürnberger Torhüter. Da spielt sich Fischera, der schlaue Wiener, frei, wird bedrängt und schiebt genau auf die Füße von Regitz. Regitz schießt unhaltbar – 3:1! Und es schrien und lachten und umhalsten sich 50 Männer aus Neunkirchen.“ Daran kann auch der (zu) späte Anschlusstreffer der Nürnberger zwei Minuten vor dem Ende nichts mehr ändern. Mit 3:2 siegt die Borussia, und auf einem der silbernen Schildchen am Pokal wird ein neuer Name eingraviert: 1921 – Borussia Neunkirchen.

Vor der damaligen Geschäftsstelle der Borussia (im ZIgarrenhaus Huppert in der Bahnhofstraße) wurde der Pokal ausgestellt, streng bewacht von einem Jugendspieler mit der Borussia-Fahne. (Foto: Mythos Ellenfeld – 100 Jahre Borussia Neunkirchen)

Leider mussten die unterlegenen Franken sehr früh abreisen, aber ihr Glückwunsch kam von Herzen. Mit den gastgebenden Stuttgarter Kickers, so heißt es, saßen die Borussen und ihre Begleiter noch lange zusammen, der gefüllte Pokal zog immer wieder seine Kreise. „Noi, noi“, soll einer der Kickers-Männer dabei gesagt haben, „des isch mir noch net vorkomme, so ein Stürmer wie den Fischera!“ Und alle bestätigten: So einen Wunderstürmer wie diesen Wiener hätten sie im Degerloch noch nie gesehen. Die Borussia präsentierte nach der Rückkehr ins Saarland voller Stolz den gewonnenen Pokal ihren Fans vor der Geschäftsstelle. Und eilte auch in der folgenden Spielzeit von Sieg zu Sieg. Der Pokalsieg hatte Flügel verliehen. Daran änderte auch der Weggang von Adolf Fischera nichts, der 1922 ins geliebte Wien zurückkehrte, um als Nationalspieler weiter große Erfolge zu feiern. (-jf-)

Und das sind sie, die legendären 21er-Pokalsieger der Borussia: Reinert – Feiler, Schmelzer, Wallrath, Rauch, Breyer, Hoffmann, Lutz, Regitz, Fischera, Kaufmann. Darüber hinaus gehörten Torhüter Volz, Schmeer und Klein zum Team.

EXTRA: Die schwarzen Teufel

Der Schriftsteller Joseph Roth beschrieb in seinen Reiseberichten für die Frankfurter Zeitung (1927) die Neunkircherin als stets dunkel gekleidete Frau: „Sie trug ein langes Kleid, schwarz, einen schwarzen, glockenförmigen Mantel darüber.“ Schwarz – das Abbild des von der Hüttenindustrie geprägten Stadtbildes. „Alle Waren sehen verstaubt aus. Auf allen Kleidern allen Mauern, allen Fenstern, allen Pflastersteinen liegt dieser schwarzgraue, feinkörnige Sand“, heißt es bei Joseph Roth weiter. Es war wohl Adolph Fischera, der diese Eindrücke umsetzte: In schwarze Blusen und ebensolche Hosen. In den Augen des österreichischen Nationalspielers schien dieses Outfit den Borusse gut zu stehen. Im Sportteil der Neunkirchener Zeitung fand die neue Spielkleidung am 13. Juli 1920 erstmals Erwähnung. Denn die Borussia war tags zuvor gegen den 1. FC Idar erstmals in ihr angetreten, hatte auf dem Spielfeld auf geradezu teuflische Art und Weise gewirbelt und den Gegner mit 9:0 regelrecht in die Fußballhölle geschickt – die Geburtsstunde der „Schwarzen Teufel“! (-jf-)

Für die folgenden, bislang unveröffentlichten Fotos vom Pokalfinale 1921 danken wir Professor Dr. Jens Kelm, der die Bilder zur Verfügung gestellt hat. Ein herzlicher Dank gilt ebenso Tobias Fuchs für seine umfangreichen Recherchen, vor allem zur Person von Adolf Fischera, in „Mythos Ellenfeld – 100 Jahre Borussia Neunkirchen“!

Borussias Gegner im Finale: Der FV Nürnberg.

Borussias Torhüter Reinert in Aktion.

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