Abschied von Günter Schröder †

Nachruf auf einen großen Fußballer und Menschen, der auf dem Platz und im Leben immer alles gegeben hat

Texte und Melodien, die der Graf, Leadsänger der Band Unheilig, mit sonorer Stimme zum Klingen bringt, gehen unter die Haut. Trost, Abschied, Einsamkeit – viele seiner Lieder beschäftigen sich mit diesen Themen. Warum? „Weil das das Leben ist, zum Leben dazu gehört“, hat der Musiker in einem Interview mal gesagt. „So wie du warst, bleibst du hier. So wie du warst, bist du immer bei mir. So wie du warst, erzählt die Zeit. So wie du warst, bleibt so viel von dir hier.“ Das gilt ganz sicher auch für Günter Schröder. Das Lebenslicht des früheren Bundesligaspielers der Borussia ist gestern nach 83 Jahren erloschen. Alle Borussen und Fußballfreunde trauern mit Günter Schröders Familie um einen Sportler und Menschen, der auf dem grünen Rasen wie im Leben immer alles gegeben hat. Und gegeben hat es für ihn stets nur einen Verein: Borussia Neunkirchen!

Das begann im zarten Alter von zehn Jahren. Mit seinen Eltern war der Schüler von Wiebelskirchen nach Neunkirchen auf die „Scheib“ gezogen. Von einem Klassenkamerad gefragt, ob er keine Lust habe, in die Borussia einzutreten und dort Fußball zu spielen, wurde Günter Schröder auf die Geschäftsstelle mitgenommen und angemeldet. Schon nach kurzer Mitwirkung in der Schülermannschaft stand er in der Saarauswahl, rückte später in die erste Amateur- und dann in die Vertragsspielermannschaft auf. Die Erinnerung an den 2. Juli 1961 ist immer noch lebendig: Die Borussen gewannen in der sommerlichen Totorunde gegen den holländischen Vertreter VV Venlo und gewannen 5:3. In der Tageszeitung war die Schlagzeile zu lesen: „Forsche Verteidiger-Partie von Schröder!“ Der junge Mann hatte bei seinem Debüt überzeugt, und auch wenig später nach dem Spiel gegen die Schweizer vom FC Grenchen wurden seine Leistungen gewürdigt.

Doch zunächst hieß es, sich in der Borussen-Reserve weitere Meriten zu verdienen. Das gelang eindrucksvoll – wen wundert´s? Am 15. Oktober 1961 feierte Günter Schröder unter Trainer Adi Preißler im heimischen Ellenfeld-Stadion seine Premiere beim 2:2 gegen den BSC Oppau in der Defensivabteilung. Der eisenharte Verteidiger, der weder sich noch Gegner schonte, gewann gleich in seiner ersten Spielzeit mit der Borussia den Oberliga-Titel im Südwesten – in der darauffolgenden Endrunde um die deutsche Meisterschaft war der „Abräumer“ in allen drei Spielen (gegen Nürnberg, Schalke und Tasmania) ebenso im Einsatz wie zwei Jahre später in allen sechs Begegnungen gegen den HSV, 1860 München und Borussia Dortmund. Doch ein Highlight sollte noch folgen.

Wenn Günter Schröder an jenen regnerischen 20. Juni 1964 im Stadion an der Grünwalder Straße in München zurückdachte, war der Glanz in seinen Augen nicht zu übersehen. Der 2:0-Sieg in der Aufstiegsrunde gegen den aufstrebenden FC Bayern hatte bis zuletzt Spuren der Freude hinterlassen. „Borussia-Trainer Horst Buhtz hatte die Order ausgegeben: `Wir müssen den Ohlhauser und den Brenninger ausschalten!´ Das Spezialkommando für diese Schwerstaufgabe war rasch zusammengestellt. ´Dieter Schock übernimmt den Ohlhauser, Schröder den Brenninger´, ordnete Buhtz an. Das Neunkircher Wächter-Duo lieferte Qualitätsarbeit ab: Die Schock-Therapie gegen Ohlhauser wirkte – ebenso wie Schröder gegen den flotten Nationalspieler Brenninger nichts anbrennen ließ. Borussias rechts-schaffender Verteidiger legte den linken Bayern-Flügel lahm“, erinnert SZ-Reporter Wilfried Burr in der Festschrift zum 100-Jährigen der Borussia („Mythos Ellenfeld“) in einem Beitrag über den blonden Hünen.

Hart, aber herzlich und immer fair: Günter Schröder im Zweikampf mit Gladbachs Bernd Rupp (oben) und beim Versuch, Uwe Seelers Schuss abzublocken (unten). (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)

Auch einen großen Anteil am Klassenerhalt im Sommer 1965 in der Bundesliga mit dem respektablen 10. Tabellenplatz – dem besten, den je eine saarländische Mannschaft in der Elite-Klasse des deutschen Fußballs erreichte – konnte sich der Mann, der vor allem das Kämpferische als seine ureigene Tugend benennt, auf seine Fahnen schreiben, hatte er sich doch bundesweit bei den etablierten Linksaußen, seien es Dortmunds WM-Held von 1966, Lothar Emmerich, HSV-Ikone Charly Dörfel oder Lauterns Winfried Richter, gehörigen Respekt verschafft. Mit einer Spielweise, die man getrost als hart, aber herzlich und in ihren Grundzügen stets als fair bezeichnen kann.

Ein 1967 erlittener Schien- und Wadenbeinbruch verhinderte nach Borussias Wiederaufstieg in Liga eins erneute Bundesliga-Einsätze, zumal es trotz Nagel im Bein nach vermeintlicher Heilung im Training an derselben Stelle abermals eine Fraktur gab. Doch seine Leidenschaft für den Fußball ließ er sich trotz längerer Pause nicht nehmen. Nach mehr als 18 Jahren Borussia mit 153 Spielen und zwei Toren in der ersten Mannschaft heuerte Günther Schröder 1968 als Spielertrainer beim damaligen VfR Schiffweiler an. Als Borussias Amateure 1970 in sportlicher Not waren, erhörte Günter Schröder den Ruf der Verantwortlichen und kehrte ins Ellenfeld zurück: Seine großen Erfahrungen setzte er als Mittelläufer der klassischen Prägung für Borussias II ein und führte das Team am Saisonende gar noch zur Vizemeisterschaft! Noch lange Jahre gehörte er zu den Säulen der Traditionsmannschaft im Ellenfeld.

Eine nicht alltägliche Erfahrung durfte der Verteidiger im Film-Business machen. In der ab 1970 für die Regionalprogramme der ARD (zum Teil auch im Ellenfeld) gedrehten Serie „Fußballtrainer Wulff“ wirkte er gemeinsam mit seinem Borussen-Teamkollegen Hennes Schreier mit und heimste viel Anerkennung ein. Anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Bundesliga wurde Günter Schröder 2013 in eine „Saarland-Jubiläums-Elf“ gewählt – zur Wahl, die vom Ellenfeld e.V. und dem Saar-Park-Center organisiert worden war, standen alle Saarländer, die seit 1963 in der Bundesliga gespielt hatten.

Der Borussia auch nach der aktiven Karriere verbunden: Günter Schröder (li.), auch für SR-Sportmoderator Werner Zimmer ein gefragter Gesprächspartner (re.). (Fotos: Burgardt-Sportfotografie – viele Dank!)

Das Ellenfeld war für Günter Schröder immer so etwas wie eine zweite Heimat, die er sehr geschätzt und in der er sich sehr wohl gefühlt hat: „Unsere Borussia – das war damals eine große Familie, zu der auch die Bräute und Frauen gehörten. Wir waren mit Leib und Seele für unseren Verein da und hätten, wenn es hätte sein müssen, auch kostenlos gespielt.“ Was heute im Profi-Fußball gezahlt werde, stehe oft in krassem Verhältnis zu den Leistungen. O-Ton Schröder: „Was wir früher mit dem Fußball verdient haben, das liegt heute in der Portokasse der meisten Spieler.“ So verdiente der Abwehrrecke von damals seine „Brötchen“ als Bau- und Möbelschreiner bei einer einheimischen Baufirma. Nichts kann die unterschiedlichen Zeiten besser dokumentieren als eine fast schon anekdotenhaft anmutende Begebenheit im September 1964: Vor dem Heimspiel gegen den Hamburger SV ist die Borussen-Mannschaft wie meist im Schulungsheim der Arbeitskammer in Kirkel „kaserniert“. Vor dem Spiel gibt Trainer Horst Buhtz seinen Schützlingen noch zwei Stunden Zeit zum Verschnaufen. Was macht Günter Schröder? Lässt sich abholen und zum Haus nach Spiesen fahren, wo das angelieferte Dachgebälk noch schnell bearbeitet und gestrichen wird. Anschließend geht es zum Ellenfeld-Stadion, wo er mit der Borussia den stolzen HSV mit 3:1 „wegputzt“ …

Trotz allem: Günter Schröder vermisste nichts, wollte auch nie tauschen, war mit sich und seiner Welt im Reinen und zufrieden. Für ihn das Allerwichtigste: „Ich habe eine intakte Familie.“ Die musste ihn jetzt gehen lassen – hinter den Horizont. „Hinterm Horizont geht’s weiter, ein neuer Tag,
hinterm Horizont, immer weiter, zusammen sind wir stark. Das mit uns ging so tief rein, das kann nie zu Ende sein. So was Großes geht nicht einfach so vorbei“, heißt es in einem bekannten Song von Udo Lindenberg. Ganz in diesem Sinne verneigt sich die Borussia vor Günter Schröders großer Lebensleistung als Sportler und Mensch und wird ihren eisenharten Verteidiger im Ellenfeld stets in bester Erinnerung behalten – traurig, dass Günter Schröder gegangen ist, dennoch dankbar und froh, dass er Teil der Borussen-Familie war. Denn „so wie du warst, bleibst du hier. So wie du warst, bist du immer bei mir. So wie du warst, erzählt die Zeit. So wie du warst, bleibt so viel von dir hier.“ Ruhe in Frieden, Günter Schröder! (-jf-)

Ein paar Bilder lassen die Karriere Günter Schröders im Ellenfeld noch einmal Revue passieren. (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen / Burgardt-Sportfotografie – vielen Dank!)

3 Kommentare

  1. Es Schäumche war ein toller Typ, eine Marke. Ähnlich wie Fritz Walter von Beruf Weltmeister, war Günter Schröder Bundesligaspieler ohne Allüren!
    Ich hatte oft Gelegenheit mit ihm zu sprechen und immer mit großen Ohren seinen Schilderungen gelauscht.

    Schäumchen, Ruhe in Frieden!
    JK

  2. Lieber Jens und Jo Frisch!

    Wieder einmal eine traurige Nachricht rund ums Ellenfeld-Stadion, um einen wahren Protagonisten unserer Borussen-Historie.
    Immer wieder habe ich mich gefreut, wenn ich Günter Schröder sah, wie er ins Ellenfeld-Stadion Bereich Tribüne einlief, um die Spiele der jeweils aktuellen Borussen-Mannschaft mitzuverfolgen. Ein echter Sympathieträger ähnlich wie Hennes Schreier, wobei ich Hennes auch persönlich „viel“ besser kannte, bin sogar mit Hennes nach einem Auswärtsspiel in Prüm( unweit von dort lebe ich heute sogar, in Gerolstein) mit nach Hause gefahren, als ich noch im Saarland lebte. Nun haben beide ihren Aufenthaltsort für immer gewechselt, aber sie bleiben für immer unvergessen, vor allem im Umkreis des Ellenfeldes.
    Wieder einmal ein lesenswerter Beitrag, der warmherzig, kondolierend und anekdotenreich zugleich ist mit einer wie schon sooft imposanten Bilderstrecke. Sehr schade, dass ich persönlich diese Zeiten noch nicht miterleben durfte, da ich erst 1977 zur Welt kam.
    Fotos, die die glorreiche Vergangenheit unserer Borussia eindeutig nachempfinden lassen, sie jagen einem sowohl einen Schauer durch die Haut und lassen echte Gänsehaut aufkommen.
    Ich wünsche Familie Schröder nun viel Kraft für die kommende schwere Zeit, vielleicht hilft es den Familienmitgliedern immer mal wieder zur Borussia zu kommen, dort wird man ihr Kommen immer wohlwollend und freudig wahrnehmen. Ein Ort, an dem sich Günter auch so gerne aufgehalten hat. Machs gut, „es Schäumche“!
    In diesem Sinne!
    Craig-Maikel Kunz(ehemaliger Redakteur „Blick ins Ellenfeld“, „Treffpunkt Ellenfeld“, „Borussia-Online“ sowie Mitarbeiter Vereinsarchiv Borussia Neunkirchen)
    P.S. Heute Abend hat die aktuelle erste Borussen-Mannschaft ja mit 7:0 in der ersten Pokalrunde in Sankt Ingbert gesiegt, ein Sieg auch für Günter Schröder!!

  3. Mit tiefer Betroffenheit hat mich diese Nachricht erreicht.Ich trauere um einen ehemaligen Mitspieler U.Kameraden aus Amateurzeiten u.etlichen Dritten Halbzeiten. Günter war nicht nur mit seiner sportlichen ,Einstellung U.Eisernen Disziplin Bemerkenswert.Genauso liebte er das Leben U.dieGeselligkeit in vertrauter Runde.Auf Deinem letzten Weg den wir alle einmal gehen Alles, Alles Gute.Wo immer Du jetzt auch bist schau dass ein Ball da ist,eine gesellige kleine Kneipe U.ein kühles Bierchen! Bis irgendwann. Meine Gedanken sind bei Deiner Familie.

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