Aus der traditionsreichen Ellenfeld-Historie / Teil 2 – Nach dem Aus in der Qualifikation: Jetzt erst recht!
Unser Bild: Mit dem 2:0-Sieg im Ellenfeld gegen Wormatia Worms im November sorgten die Borussen nicht nur für Begeisterung auf den vollen Rängen, sondern legten auch den Grundstein für den Meistertitel in der Regionalliga Südwest und den folgenden Bundesliga-Aufstieg. (Foto: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)
In ihrem sehens- und lesenswerten Bilderbuch „90 Minuten – Mit Ferdi Hartung in die Bundesliga / Band 1: Borussia Neunkirchen“ versuchen Paul Burgard und Ludwig Linsmayer, diese Verschwörungstheorie zu entkräften. Neuberger habe zu dieser Zeit noch lange nicht den sportpolitischen Einfluss gehabt, den man ihm im Ellenfeld andichtete. „Um dem Vorwurf der Parteilichkeit von vorneherein entgegenzutreten, wurde im Ausschuss die Beratung und Beschlussfassung über die Vereine der jeweiligen Regionalverbände immer unter Ausschluss der regionalen Vertreter durchgeführt. Will heißen: Neuberger musste bei Erörterungen und Urteilen über Pirmasens, Saarbrücken, Kaiserslautern oder Neunkirchen das Beratungszimmer verlassen“, so Paul Burgard und Ludwig Linsmayer, die Hermann Neubergers Rolle keinesfalls als die des „großen Maestros, der alle Fäden in der Hand hielt“, einschätzen und glauben, dass der Funktionär, der damals noch in keinem der präsidialen Gremien des DFB vertreten war, in seinem Bestreben, in die Führungsriege aufzusteigen, „ziemlich schlecht beraten gewesen wäre, wenn er seine Arbeit zu der ihm unterstellten einseitigen Interessenpolitik für seinen Heimatverein genutzt hätte.“
Auch den Vorwurf, Neuberger habe sich nicht ein einziges Mal bei den Endrundenspielen der Borussia 1963 im Ludwigspark blicken lassen, können die Autoren entkräften: „Neuberger mag nicht in der Borussen-Kabine gewesen sein. Aber er war auch nicht als saarländischer Fußballfunktionär vor Ort, sondern als Journalist. Von allen drei Heimspielen brachte er Berichte für das Sportmagazin, die er offenkundig telefonisch aus dem Ludwigsparkstadion übermittelte. In diesen Berichten war Neuberger sichtlich um die gerade in einem überregionalen Blatt erforderliche sachkundige Spielanalyse und objektive Darstellung bemüht, während er in den Kommentaren Sympathien für den Verein aus `seinem´ saarländischen Heimatverband durchaus erkennen ließ“, wissen Paul Burgard und Ludwig Linsmayer, die die Entscheidung pro FCS für „wirtschaftlich sogar geboten“ halten, weil die Saarbrücker offenbar diesbezüglich die Nummer 1 im Südwesten waren. So gehörte zu den Voraussetzungen unter anderen die „Soll-Bestimmung“, nach der ein Erstligist in einem mindestens 35.000 Zuschauer fassenden Stadion mit Flutlichtanlage seine Heimspiele auszutragen hatte.
Die Borussen hatten demnach nur eine einzige Chance, doch noch in die Bundesliga einzuziehen, nämlich ins Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1963 einzuziehen. Damit hätte man – nach einer Sonderregelung – tatsächlich zu den 16 Auserwählten gezählt! Doch mit dem 2:5 an jenem 15. Juni 1963 gegen den Namensvetter aus Dortmund waren diese Hoffnungen schon am vorletzten Spieltag der Gruppenspiele zerstoben wie Blütenstaub im Wind, obwohl die Borussen den Fußball-Südwesten in dieser Runde, u.a. mit Siegen gegen den HSV (3:0), 1860 München (2:1) sowie zwei Remis in Dortmund (0:0) und Hamburg (1:1), mehr als nur respektabel vertreten hatten. „Diese Borussia wäre die Bundesliga wert!“, titelt der Hamburger Journalist Jupp Wolff am 24. Juni im „Sport-Magazin“ nach dem letzten Endrundenspiel der Borussia beim HSV.
Gipfeltreffen mit dem FK Pirmasens: Heinz Simmet (hinten) und Elmar May (re.) waren entscheidend am Titelgewinn und Aufstieg in die Bundesliga beteiligt. (Foto: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)
Wie dem auch sei: Bei den Borussen galt die Lösung „Jetzt erst recht!“ Was am grünen Tisch nicht gelang, sollte jetzt auf dem grünen Rasen erreicht werden. Doch die Mannschaft tat sich in ihrer ersten Saison in der zweitklassigen Regionalliga anfangs schwer. Wormatia Worms und der FK Pirmasens waren Borussias Hauptkonkurrenten um die ersten beiden Plätze, die zur Teilnahme an der Aufstiegsrunde berechtigten. Lange Zeit standen die Wormser auf dem Platz an der Sonne, kamen im November 1963 noch ungeschlagen zum Gipfeltreffen ins Ellenfeld und musste einer 0:2-Niederlage im Gepäck die Heimreise nach Rheinhessen geschickt. Bei den Borussen war der Knoten jetzt geplatzt, dieser Sieg bildete den Auftakt für eine imponierende Serie von 24 Spielen ohne Niederlage. 42 Punkte gewannen die Borussen dabei, hatten am Ende 106 Treffer auf ihrem Konto, auch wenn sie erst am viertletzten von 38 Spieltagen erstmals die Tabellenspitze erklommen hatten. Mit einem 6:0 beim Ludwigshafener SC wurde der Meistertitel perfekt gemacht. Fast 3000 Fans aus dem Saarland waren mit an den Rhein gereist und feierten schon vor Ort vor allem den dreifachen Torschützen Paul Pidancet, ehe die Meisterkicker zuhause in der Hüttenstadt triumphal empfangen wurden. Kein Zweifel: Die Borussia hatte sich dank der besten Abwehr (32 Gegentore), des zweitbesten Angriffs (106 Tore, nur Pirmasens war mit 128 Treffern erfolgreicher!), der wenigsten Niederlagen (3) und der längsten Siegesserie die Südwestkrone völlig zurecht aufs Haupt gesetzt. Für den Anhang im Ellenfeld war damit die Überzeugung untermauert, dass diese Borussia in die Bundesliga gehörte.
Entscheidung in Ludwigshafen: 3000 Borussen-Fans feiern mit ihrem Team die Meisterschaft (oben), für die Mannschaft nimmt Kapitän Karl Ringel die Glückwünsche des Verbandes entgegen (unten). (Fotos: Ellenfeld-Verein / Archiv Borussia Neunkirchen)
Die längste Etappe dorthin, die Regionalliga-Meisterschaft, war jetzt bewältigt. Doch das schwierigste Unterfangen stand noch bevor: Die Aufstiegsrunde zur Bundesliga, die die Borussia mit dem Berliner Titelträger Tasmania, Südmeister Bayern Hof, Nordmeister FC St. Pauli sowie dem Vizemeister aus dem Süden, Bayern München, zusammenführte. Dabei hatten die Bayern um die jungen Franz Beckenbauer und Sepp Maier nach einer grandiosen Saison am Ende sogar auf den Titel im Süden verzichtet: Sie unterlagen am vorletzten Spieltag nach munterem Scheibenschießen mit 4:6 im Stadion an der Grünwalder Straße gegen die TSG Ulm 46, spielte zum Finale nur 3:3 bei der Spvgg Neu-Isenburg – vollauf beabsichtigte Punktverluste! Denn als Meister wären die Münchener in die vermeintlich stärkere Aufstiegsrundengruppe gekommen, in der man am meisten den Westmeister Alemannia Aachen fürchtete. Vor Südwestmeister Borussia Neunkirchen hatte man offenbar keine Angst – eine fatale Fehleinschätzung! Doch diese Geschichte erzählen wir ein andermal. (-jf-)
Fernsehtipp – sehenswerte Doku zum 60jährigen Jubiläum der Bundesliga:
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