Memorabilia im Saarländischen Sportarchiv lassen das Herz jeden Borussen-Fans höher schlagen / Ein Besuch im Landesarchiv in Saarbrücken
Unser Bild: Spielplakate im Wandel der Zeit – der in Sachen Borussia-Archiv sehr engagierte Professor Dr. Jens Kelm präsentiert die Spielankündigung 1966 zum Bundesligaspiel gegen Bayern München (li.). 36 Jahre später zum DFB-Pokalspiel gegen den deutschen Rekordmeister ist das Plakat ganz anders gestaltet. (Foto: -jf-)
Wer eine Reise in die sehr erfolgreiche und traditionsreiche Geschichte der Borussia unternehmen will, muss sich nicht in eine Zeitmaschine setzen. Eine Fahrt ins Landesarchiv nach Saarbrücken genügt. In knapp 25 Minuten und 22,8 Kilometer ab Ellenfeldstadion über die A 8 Richtung Friedrichsthal, von dort durchs Sulzbach- und Rohrbachtal ist der Saarbrücker Ortsteil Scheidt recht schnell erreicht. In der Dudweiler Straße 1 ist das Landesarchiv seit 1998 standesgemäß in einem früheren Kurhaus (aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts) untergebracht. Infrastrukturell eingebunden auch das Saarländische Sportarchiv, das am 1. Januar 2001 gegründet wurde. Ziel des Archivs, erklärt Diplom-Archivar (FH) David Kraus, ist es, „die sportgeschichtlichen Quellen dauerhaft zu sichern, vor Vernichtung und Verfall zu bewahren und sie konzentriert an einem Ort zugänglich zu machen.“
„Nur wer weiß, wo er herkommt, weiß, wer er ist, und weiß, wohin er geht.“ Die Worte des früheren Bundespräsidenten Theodor Heuss (1884 – 1963) gelten für Familien, Gesellschaften und Staaten in gleicher Weise wie für Vereine. Getreu diesem Motto sollen auch die zahlreichen Archivalia aus der mittlerweile fast 114jährigen Historie der Borussia der Nachwelt erhalten bleiben und eine Standortbestimmung ermöglichen, auf deren Basis ein Weg in die Zukunft gefunden werden kann. Deshalb ist das Vereinsarchiv, dessen Bestände 1987 angelegt wurden und das zu den bedeutendsten Privatsammlungen zur regionalen Sportgeschichte gehört, seit 2010 als Dauerleihgabe im Saarländischen Sportarchiv untergebracht. Verwaltet wird das Archiv vom Ellenfeld-Verein e.V., der gemeinsam mit dem Saarländischen Sportarchiv vor allem die Erschließung der Archivbestände vorantreiben und dadurch ihre Benutzung erleichtern will, sich aber auch um die Sicherung historischer Dokumente aus privaten Sammlungen und Nachlässen kümmert. Hervorgegangen ist der Ellenfeld-Verein im Übrigen durch ein ganz konkretes Projekt des Borussen-Archivs, aus dem von Prof. Dr. Jens Kelm und Tobias Fuchs erstellten Jubiläumsbuch zum 100jährigen Bestehens des Ellenfeld-Stadions.
Ortstermin Dudweiler Straße, Landesarchiv Saarbrücken. Diplom-Archivar David Kraus führt durch den verwinkelten Bau in die Räumlichkeiten, in dem die Abteilung Sport untergebracht ist. Stockdunkel und staubtrocken ist es hier unten. Das seien, so David Kraus, optimale Bedingungen zur Lagerung der Archivalia: „Gerade Fotos sind durch die chemischen Prozesse licht- und temperaturempfindlich und müssen vor diesen Einflüssen geschützt werden. Auch wenn wir laufend dabei sind, die Bilder zu digitalisieren, so ist es uns doch ein Anliegen, die Originale möglichst lange in gutem Zustand zu erhalten.“ Weit mehr als 6000 Schwarz-Weiß-Fotos von den Spielen der Borussia aus alten Oberliga-, Bundesliga- und Regionalligazeiten gibt es allein aus der Sammlung des Saarbrücker Fotografen Ferdi Hartung, der bei nahezu jedem Spiel im Ellenfeld und auch auf fremden Plätzen dabei war und die großen Erfolge der Borussen mit Liebe und Leidenschaft dokumentierte. Das Problem: „Zeitgenossen aus diesen Jahren sterben langsam aus. Das erschwert uns die Erschließung der Bilder. Wer ist abgebildet? Wo spielt die Szene? Dies zu eruieren ist eine Herkulesaufgabe“, erklärt David Kraus. Denn nur bei den wenigsten Fotos findet sich auf der Rückseite eine Legende.
Vom Boden bis zur Decke erstrecken sich auf mehr als 12 Meter die Regale, in denen sich alles findet, was das Borussen-Herz höher schlagen lässt; Sorgfältig gesammelte Zeitungsberichte, gebundene Ausgaben diverser Sportzeitschriften, Stadionmagazine von überall dort, wo Borussia zu Gast war, Vereinsnachrichten (die sogenannten „Schwarz-Weißen Blätter“), Festschriften, Urkunden, Fotoalben und Dokumente der Geschäftsführung, teils noch in Aktenordnern, teils schon in speziellen Kartons, die ein Eindringen von Feuchtigkeit und Schmutz, den Todfeinden aller Archivalia, verhindern.
David Kraus zeigt eine Filmrolle: „Fußballpokalspiel 27.12.1959“ steht dort handschriftlich vermerkt. 15 Minuten lang sind hier Ausschnitte aus einem der größten Momente der Borussen-Geschichte auf Zelluloid gebannt: Das mit 2:5 verlorene DFB-Pokalfinale gegen Schwarz-Weiß Essen im Kasseler Aue-Stadion. Nicht minder sehenswert das erste Stadionprogramm der Borussia aus dem Jahre 1938 anlässlich eines Spiels gegen Eintracht Frankfurt.
Auch Legenden der Borussia haben Spuren hinterlassen: Bilder aus einem privaten Album von Henner Theobald lassen die 30er und 40er Jahre lebendig werden. Theobald war 1931 zur Borussia gekommen und hatte sich im Ellenfeld zu einem technisch perfekten Fußballer „mit einem Überblick, über den heutzutage nicht viele Spieler verfügen“ (Kicker 1936), entwickelt. Einer seiner Rekorde: 600 Spiele bestritt er für Borussia, 500 davon in ununterbrochener Reihe über 16 Jahre! Sepp Herberger damals: „Das ist einmalig in der Fußballgeschichte der ganzen Welt.“ Der frühere Bundestrainer und Weltmeistermacher von 1954 könnte das genau in dem Moment gesagt haben, den das Foto gemeinsam mit DFB-Coach Herbert Widmayer und Henner Theobald festhält!
Die großformatigen Spielankündigungsplakate sind in eigenen Stahlschränken gelagert. Sie müssen plan liegen und werden nach und nach mit einem speziellen Scanner digitalisiert, der eine Buchwippe besitzt und DINA2-Formate erfassen kann. Kein billiges Vergnügen: „Das Gerät kostet eine höhere fünfstellige Summe“, verrät David Kraus. Einige dieser Plakate aus Bundesligazeiten (u.a. gegen Bayern München und Schalke 04) waren vor Jahren mal als Replikate zu erwerben.
Was ist die Borussen-Sammlung wert? Eine Frage, die man einem Archivar besser nicht stellen sollte. David Kraus, der sich schon manches Mal gewundert hat, was an eigentlich erhaltenswerten Memorabilia auch von Vereinen gedankenlos vernichtet wird, kann und will keine Summe nennen. „Der Wert ist nicht abzuschätzen. Aber darum geht es auch gar nicht. Für uns als Landesarchiv steht die Information im Vordergrund, die wir allen, die entweder wissenschaftlich arbeiten oder sich die Dinge auch einfach nur aus Interesse anschauen, zur Verfügung stellen wollen.“ Damit die lange und erfolgreiche Geschichte der traditionsreichen Borussia nicht der Vergessenheit anheimfällt. Denn schließlich weiß nur der, der weiß, wo er herkommt, wer er ist und wohin er geht – zentraler Gedanke einer Erinnerungskultur, die Gemeinschaft stiftenden und verbindenden Charakter hat und auch heute nicht verloren gehen darf. (-jf)
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