Erinnerung an Borussen-Trainer Zeljko Cajkovski / Borussia erste „Fahrstuhlmannschaft“ der Bundesliga / Bruderzwist zwischen „Tschik“ und Zeljko beim Gastspiel der Borussia in München
Unser Bild: Brüderliche Eintracht zwischen „Tschik“ (li.) und Zjelko Cjakovski (re.) vor dem Gastspiel des FC Bayern im Ellenfeld (1:1). Doch das war nicht immer so! Im Hintergrund warten Torhüter Sepp Maier (li.) und der junge Franz Beckenbauer (re.) auf ihren Auftritt. (Foto: Mythos Ellenfeld. 100 Jahre Borussia Neunkirchen)
Ruhiger Blick, höflich und freundlich, in Sportkleidung oder im modischen Mantel mit Hut – er machte stets eine gute Figur. Er galt als der perfekte Kavalier und Gentleman. „Sehr aufgeschlossen und umgänglich, doch zielbewusst nimmt er die ihm übertragenen Aufgaben sehr ernst. Er kennt keine Utopien, ist Realist, für den es heißt, aus jeder Situation das Beste herauszuholen und das große Ziel nicht aus den Augen zu lassen. Für ihn gibt es keine Namen, keine Tradition und keine Zukunftsprognosen. Für ihn gilt: Das Gegenwärtige meistern – dann sieht man weiter!“ So beschreibt Borussen-Chronist Erich Manz in den „Schwarz-weißen Blättern“ (Ausgabe Nr. 3 vom August 1966) den Mann, der sich anschickte, die Borussia nach dem ersten Bundesliga-Abstieg wieder in die höchste deutsche Spielklasse zurückzuführen. Und Zeljko Cajkovski schaffte es! Unter seiner Stabführung wurde Borussia die erste Fahrstuhlmannschaft der Bundesliga, dem Außenseiter gelang tatsächlich postwendend im Sommer 1967 der direkte Wiederaufstieg! Am heutigen 5. Mai wäre der Gentleman Zeljko Cajkovski 95 Jahre alt geworden.
Die Cajkovskis, Zeljko und sein bekannterer Bruder Zlatko, den alle nur „Tschik“ (was soviel heißt wie: Stummel) nannten, sorgte in den 50er Jahren als jugoslawische Nationalspieler für internationales Aufsehen, bevor sie mit unterschiedlichem Erfolg in deutschen Fußballligen arbeiteten. Der ältere, Zlatko Cajkovski, führte den 1. FC Köln 1962 erstmals zum deutschen Meistertitel, um dann ab 1963 beim FC Bayern München die junge Truppe um Sepp Maier, Franz Beckenbauer und Gerd Müller zu einer internationalen Spitzenmannschaft zu formen. Davon konnte der zwei Jahre jüngere Zeljko nur träumen. Fußballerisch großgeworden bei den Clubs seiner Heimatstadt Zagreb (HASK und Dinamo) absolvierte der für seine gute Technik und Passgenauigkeit bekannte Linksfüßler 19 Länderspiele mit 12 Toren für Jugoslawien, nahm dabei auch an der Fußball-WM 1950 in Brasilien teil. Sein Tennisspiel konnte sich ebenfalls sehen lassen: 1947 erreichte er das Halbfinale der kroatischen Meisterschaft. 1956 dann der Sprung nach Deutschland, er kickte zunächst für Werder Bremen, um sich dann Richtung Süden zum fränkischen 1. FC Lichtenfels und zur Spvgg Landshut in untere Ligen zu verabschieden. Landshut war auch seine erste Trainerstation, von dort ging er zum Fürther Ronhof. 1966 ereilte den damals 41jährigen dann der Ruf der Borussia, dem er sogleich ins Saarland folgte. Später arbeitete Zeljko Cajkovski noch als Übungsleiter beim SSV Ulm, VfR Heilbronn, Wacker 04 Berlin und den Amateuren des FC Bayern. Dass er es nie nach ganz oben schaffte, hat vielleicht etwas mit seiner menschenfreundlichen Art zu tun. Otto Frey, Cajkovskis Spieler in Heilbronn, sagte 2010 in einem Interview: „Wenn ich heute so darüber nachdenke, war Zjelko Cajkovski nicht hart genug. Er war sehr höflich und zuvorkommend und hat die manchmal nötige Härte vermissen lassen.“
Da war Bruder Zlatko schon aus anderem Holz geschnitzt. Das beweist eine Episode aus Neunkircher Zeiten, die SZ-Redakteur Wilfried Burr in der Festschrift „Mythos Ellenfeld“ anlässlich des 100jährigen Bestehens der Borussia festgehalten hat. Im Februar 1968 standen sich die beiden Brüder im Grünwalder Stadion auf Giesings Höhen erstmals als Trainer gegenüber. „Tschik“ mit seinen Bayern, Zeljko mit den Borussen, die tief im Abstiegskampf steckten. Bei einem Plausch vor Spielbeginn unter der Tribüne äußerte Zeljko halb scherzhaft, halb ironisch den Wunsch: „Tschik soll heute Hilfe für den armen Bruder leisten; wir brauchen die Punkte dringender als die reichen Bayern.“ Während Bayerns Präsident Wilhelm Neudecker schmunzelnd die Worte als das nahm, was sie waren, nämlich als Spaß, schwoll „Tschik“ sichtlich der Kamm. Seinen Unmut über das in seinen Augen offensichtlich unmoralische Ansinnen des Bruders äußerte der Bayern-Coach allerdings erst nach dem Spiel, das 4:0 für die Bayern endete, in einem Wutanfall in einem Nebengang der Tribüne: „Zlatko brüllte mit all´ seiner Phonstärke auf serbokroatisch, öffnete bei sich alle emotionalen Schleusen. Der Kopf war feuerrot wie die draußen sinkende Sonne, die Augen kullerten wild wie Kugelblitze“, schildert Wilfried Burr die Szene, die er als junger Reporter hautnah mitbekam. Der Borussen-Trainer wurde von dem verbalen Hurrikan des Bruders so überrascht, dass er zu keinen Gegenworten fähig war, sondern fluchtartig die Stadionkatakomben Richtung Mannschaftsbus verließ. Dem jungen Franz Beckenbauer war die Situation so peinlich, dass er flugs in Richtung Borussen-Gefährt eilte, Zeljko Cajkovski gerade noch vor dem Einstieg abfing und sich für den Auftritt seines Trainers entschuldigte: „Nehmen´s ihm nicht krumm. Der Tschick spinnt halt manchmal.“
Vielleicht saß ja bei Zlatki Cajkovski immer noch ein dickes Stück Ärger aus gemeinsamen Spielerzeiten in der jugoslawischen Liga fest. Wenn Roter Stern Belgrad mit dem Energiebündel „Tschik“ gegen den Heimatverein Dinamo Zagreb spielte, flogen nach Aussagen des jüngeren Bruders oft die Fetzen: Der spielstarke „Tschik“ war im verbissen geführten Zweikampf seinem Bruder meist unterlegen. Das wurmte noch nach Jahren!
Im Ellenfeld ist Zeljko Cajkovskis Umgangston in der Mannschaft gut angekommen. Seine Jungs zogen in den Übungseinheiten gut mit. „Die Spieler sind mit dem ganzen Herzen bei der Sache, sie brennen vor Ehrgeiz, sie sind bereits zu einer Kameradschaft zusammengewachsen und haben Vertrauen in ihren Trainer. Auf ihn und unserer neuen Mannschaft ruhen die Hoffnungen der Zukunft“, schreibt wieder Erich Manz in den „Schwarz-Weißen Blätter“. Zeljko Cajkovski enttäuschte diese Hoffnungen nicht: Die von ihm neu geformte Mannschaft stieg wieder in die Bundesliga auf, doch hier war die Konkurrenz für die mit Abstand kleinste Erstliga-Stadt dann doch zu groß. Nach dem erneuten Abstieg trennten sich dann mitten in der Regionalliga-Saison 1968/69 die Wege des Trainers und der Borussia.
Nach seiner Laufbahn verblieb Zjelko Cajkovski in Deutschland. Der graduierte Wirtschaftswissenschaftler war, wenn man dem Internet-Lexikon Wikipedia Glauben schenken kann, hauptsächlich im Textilimport und -export beschäftigt und wohnte ab dem Jahr 2000 in München. Noch im hohen Alter von 90 Jahren widmete er sich dem Schachspiel auf Wettkampfebene. Am 11. November 2016 ist der ehemalige Borussen-Trainer in der bayrischen Hauptstadt gestorben. Anlässlich seines heutigen 95. Geburtstags erinnert Borussia mit Dankbarkeit an Zjelko Cajkovski und seine erfolgreiche Zeit im Ellenfeld. Ruhe in Frieden, Zjelko! (-jf-)
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