Was heute Panini ist, kam früher aus den Verlagen von Bergmann und Sicker. Leicht vergilbt, zum Teil muffiger Geruch – wer von den älteren Fußballfans kennt sie nicht, die alten Sammelalben der Fußball-Bundesliga? Die kleinen Bildchen konnte man bei Zeitschriften- und Papierhändlern oder im Schreibwarenladen erstehen, 10 Pfennig das Päckchen, die Stars der neuen Fußball-Bundesliga sogar in Farbe – in den noch ganz schwarz-weiß geprägten 60er-Jahren eine echte Sensation! Die Vorfreude auf den Inhalt war groß, meist schon auf dem Nachhauseweg war die Spannung kaum auszuhalten: Hat man womöglich wieder ein paar Doppelt-Exemplare in der kleinen Papiertüte erwischt? Wenn ja, halb so schlimm – die große Hoffnung: Auf den Schulhöfen dieser Zeit war Tauschen angesagt. Zudem konnte man fehlende Bilder bis zu einer Anzahl von 30 Stück direkt beim Verlag beziehen, um die Sammlung zu komplettieren.
Die vorliegenden beiden Seiten aus dem Sammelheft der Saison 1964-65 wecken nicht nur Kindheitserinnerungen, sondern dokumentieren dabei auch eine der erfolgreichsten Mannschaft der Neunkircher Fußballgeschichte, der nach dem Gewinn der Südwest-Meisterschaft in der Aufstiegsrunde 1964 gegen höher eingeschätzte Konkurrenz (Bayern München, FC St. Pauli, Tasmania Berlin) der Sprung ins Fußballoberhaus gelang. In der Premierensaison in Liga eins schlugen sich die Jungs von Trainer Horst Buhtz richtig gut: Neuling Borussia belegte am Ende einen beachtlichen 10. Platz – noch vor den traditionsreichen Clubs vom HSV, VfB Stuttgart, Hertha BSC und dem Nachbarn aus Kaiserslautern. Vor allem im heimischen Ellenfeld wurden die entscheidenden Punkte geholt – nur zweimal konnten Gästeteams (Dortmund, Kaiserslautern) die Punkte aus dem Saarland entführen. Auf fremden Plätzen gelang Borussia allerdings nur ein Sieg – beim 2:1 in Hamburg düpierte der Aufsteiger den ruhmreichen HSV nach dem 3:1-Sieg im Ellenfeld gleich ein zweites Mal!
Großer Rückhalt waren die beiden herausragenden Keeper Willi Ertz und Horst Kirsch. Beide können auf rekordverdächtige Zahlen verweisen: Horst Kirsch gehörte am Ende der Saison nach der Bewertung des „Sportmagazins“ (fusionierte später mit dem „kicker“) mit der Gesamtnote von 1,9 (!) zu den zehn besten Akteuren der Bundesliga! Willi Ertz, auch nach der aktiven Karriere in diversen Funktionen für Borussia tätig und eine Ikone des Ellenfelds, schaffte es Anfang der 70er Jahre, 995 Minuten hintereinander ohne Gegentor zu bleiben.Mit Günter Schröder, Hans Schreier und Dieter Schock († 2011) standen drei Neunkircher Eigengewächse im Bundesliga-Aufgebot. Die Marpinger Erich Leist und Erwin Glod sowie der Göttelborner Heinz Simmet waren weitere Saarländer im Borussen-Team: Leist blieb dem Ellenfeld zehn Jahre lang treu und absolvierte von 1958 bis 1968 272 Spiele im schwarz-weißen Dress, Glod spielte acht Jahre im Ellenfeld (113 Spiele, 14 Tore), Heinz Simmet wechselte nach Borussias Abstieg 1966 zu RW Essen und erlebte anschließend beim 1. FC Köln seine erfolgreichste Zeit, für den er in 357 Spielen 37 Tore erzielte. Die Krönung: 1978 der Gewinn des Doubles (Meister und DFB-Pokal) mit dem „Eff-Zeh“. Der gebürtige Kaiserslauterer Günter Kuntz bescherte Borussia in der Bundesliga nicht nur insgesamt 80 Einsätze und 32 Tore, sondern in Form seines Sohnes Stefan auch einen Torjäger, der später – leider außerhalb der saarländischen Heimat – noch für Furore sorgen sollte.
Von der Trierer Eintracht waren 1961 mit Paul Pidancet und Elmar May († 1991) zwei torgefährliche Spieler zu Borussia gekommen. Während Pidancet Borussia bis 1966 treu blieb und in 89 Spielen immerhin 24 Tore erzielte, machte der „blonde Engel“ May, der Neunkirchen mit seinem „goldenen Tor“ zum 1:0 gegen Tasmania Berlin in die Bundesliga geschossen hatte, die halbe Bundesliga auf sich aufmerksam. Uwe Seeler persönlich bemühte sich um die Dienste des Sonnyboys und lotste ihn 1966 zum Hamburger SV, wo der Stern Mays allerdings aufgrund langwieriger Verletzungen sank, bevor er überhaupt richtig aufgegangen war. Nach nur drei Spielen im Dress der Rothosen wurde Mays Vertrag im Dezember 1967 wieder aufgelöst, der Halbstürmer kehrte – nach beruflichen Intermezzi (u.a. auf Gran Canaria) – Anfang der 90er Jahre nach Neunkirchen zurück, wo ein Herzstillstand seinem erst 59jährigem Leben ein Ende machte. Horst Berg hatten Borussias Verantwortliche vom Verbandsligisten SSV Troisdorf ins Ellenfeld geholt. Der Stürmer steuerte zwar in der Aufstiegsrunde wichtige Tore bei, kam aber in Borussias Premierensaison im Oberhaus über die Rolle eines Ergänzungsspielers nicht hinaus. Deshalb zog er es vor, über den Umweg Regionalliga (Saar 05) in die Bundesliga zu Eintracht Braunschweig, 1860 München und Hannover 96 zurückzukehren, ehe er seine Karriere unter seinem ehemaligen Braunschweiger Coach Helmut Johannsen in Vöklingen beendete. Achim Melcher, den Borussia 1961 von Eintracht Bad Kreuznach verpflichtete, wird noch heute von seinen ehemaligen Mitspielern nicht nur als „tadelloser Sportsmann und brillanter Techniker“, sondern auch als „Persönlichkeit außerhalb des Spielfeldes“ gelobt, „dessen Wort Gewicht hatte.“ Insgesamt stehen 52 Bundesligaspiele (1 Tor) auf seinem Konto. Einer, der später zum Ehrenspielführer der Borussia ernannt wurde, war Karl Ringel, der für das Saarland drei Länderspiele bestritt und auch einmal für die DFB-Auswahl auflief. Der gebürtige Bayer (Fürth) wechselte 1953 ins Ellenfeld, mit ihm begann die große Ära Borussias. Sowohl bei der Vizemeisterschaft im DFB-Pokal 1959 als auch in zahlreichen Spielen in der Endrunde um die Deutsche Meisterschaft trug er das Trikot mit dem großen „B“ auf der Brust und leistete auch in der Aufstiegsrunde mit zwei Toren wertvolle Dienste. Doch der engagierte Einsatz forderte seinen Tribut: Durch Verletzungen arg gebeutelt (u.a. sechs Knie-Operationen!) musste Ringel im Sommer 1965 nach nur einem Bundesligaspiel seine Laufbahn beenden und war bis zu seiner Pensionierung als Sachbearbeiter bei den Neunkircher Stadtwerken tätig.
Über die hier genannten und abgebildeten Spieler hinaus waren folgende Akteure für Borussia in der Bundesligasaison 1964/65 aktiv: Rüdiger Gratz, Dieter Harig († 2017), Günter Heiden († 1991), Peter Hellwig, Gottfried Peter und Volker Münz. (-jf-)
Schade dass es im größten Stadion des Saarlandes keinen Spitzenfußball mehr gibt. Bei allen Bundesligaspielen war ich dabei.