Der Umbau kommt einem Neubau gleich

Aus der Historie der Borussia: Vor 60 Jahre macht der Aufstieg in die Bundesliga ein neues Ellenfeld nötig – Präsident Norbert Engel erteilt einem erneuten Ausweichen nach Saarbrücken eine Absage

Unser Bild: Mit dem Abbruch der alten Stehränge beginnt im Sommer 1964 die Umgestaltung des Ellenfelds zu einem Stadion, das den Ansprüchen im Fußball-Oberhaus genügt. (Foto: Ellenfeld-Verein e. V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Vor wenigen Tagen feierte es Geburtstag: 112 Jahre alt wurde das Ellenfeld-Stadion. In diesen Tagen jährt sich aber auch ein weiteres Jubiläum: Vor 60 Jahren wurde die altehrwürdige Arena nach dem Bundesliga-Aufstieg der Borussia (wir haben in einer kleinen Serie darauf zurückgeblickt) für die höchste Spielklasse tauglich gemacht! Denn dort sollte sich nicht das wiederholen, was in der Aufstiegsrunde üblich war: Das Ausweichen in den Ludwigspark, das Stadion des damals wenig geliebten Lokalrivalen 1. FC Saarbrücken. Beim Umbau des Ellenfeldes handelte es sich um weit mehr als eine Runderneuerung – man kann fast von einem Neubau sprechen.

Der Umzug in die Landeshauptstadt schwebte am 20. August 1964 wie ein Damoklesschwert über den etwa 500 Mitgliedern der Borussia, die an jenem Abend anlässlich der Generalversammlung dicht gedrängt an den langen Tischen in der Sporthalle des Ellenfelds saßen. Doch Präsident Norbert Engel machte eine klare Ansage: „Eines steht felsenfest. Borussia Neunkirchen wird vom ersten Spiel an in der Bundesliga seine Heimspiele in Neunkirchen und nirgendwo sonst austragen.“ Beifall brandete auf unter dem Hallendach. Der DFB schreibt ein Fassungsvermögen von 35.000 Zuschauern und eine Flutlichtanlage vor, verfährt aber zunächst großzügig und erlaubt Übergangsregelungen.

Bis zum Bundesliga-Aufstieg war das Ellenfeld „ein in die Landschaft eingebettetes Plätzchen gewesen“, schreiben Tobias Fuchs und Jens Kelm in ihrem Buch „100 Jahre Ellenfeld“. Bereits Mitte der 50er Jahre wurde das Erdgeschoss der Sporthalle mit den Funktionsräumen gebaut, die darauf errichtete Sporthalle 1960 eingeweiht – das Stadion, seit den Anfängen in U-Form gestaltet, bildet nun ein geschlossenes Ganzes und ist erstmals in die städtische Bebauung mit einbezogen. Am 31. Juli 1964 wird der Bauantrag gestellt – die Pläne sehen eine Erweiterung auf praktisch 35.000 Zuschauer vor, um den DFB-Auflagen gerecht zu werden.

Die Flurkarte von 1968 zeigt: Es war daran gedacht auch die Gegengerade auf die Höhe der Spieser Kurve zu bringen (li.). Im Herbst 1964 schauen ganz Wagemutige vom Betonskelett der Westkurve auf den Borussen-Leo, der seiner Mannschaft ein Glücksschwein mitgebracht hat. (Fotos: 100 Jahre Ellenfeld / Ellenfeld-Verein e.V. – Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Dabei muss auch das Spielfeld, das zu schmal ist, neu angelegt werden, womit sich die Gesamtanlage in Richtung Schlossbrauerei verbreitert und auch eine Neuanlage der umlaufenden Stehtribünen erforderlich ist. In den Entwürfen ist immer wieder eine Gegengerade zu sehen, die nicht niedriger ist als die heutige Spieser-Kurve. „Eine Flurkarte vom 4. November 1968 zeigt sogar ein Ellenfeld mit gleich hohen Rängen auf drei Stadionseiten, einzig die Schmalseite mit der Sporthalle ist ausgespart“, wissen Tobias Fuchs und Jens Kel zu berichten. Scheitern wird dieses Vorhaben am Ende durch die Weigerung der Schlossbrauerei, Grundstücke hinter der Gegengeraden abzugeben. Allerdings hatte die Brauerei durch einen Grundstückstausch zuvor bereits grünes Licht für den Bau der mächtigen Spieser Kurve gegeben.

Baufirmen aus Neunkirchen (Albert, Cronau, Schley und Sinnewe), zusammengeschlossen in einer Arbeitsgemeinschaft, realisieren schließlich den Bau. Vor dem ersten Heimspiel am 29. August 1964 gegen Borussia Dortmund (1:2) sind im Schnitt täglich 65 Arbeiter mit 4 Baggern, einem Hublader und drei Kränen im Ellenfeld tätig. Im ersten Bauabschnitt werden die alten Stehtribünen entlang des Rasens abgebrochen und Stehwälle aufgeschüttet, die mit Fundamenten aus Ziegelsteinen versehen werden. Im ersten Bauabschnitt entstehen aufsteigende Ränge mit 15 bis 21 Stufen. In zwei weiteren Abschnitten werden bei laufendem Spielbetrieb (!) die aufgeständerten Ränge von Block 5, die Haupttribüne und die Spieser Kurve errichtet – letztere umfasst am Ende 46 Stufenreihen, der höchste Punkt liegt bei 15 Metern über Erdniveau. Die neue Haupttribüne wird über der alten Tribüne von 1930 errichtet, erst Ende März 1965 bei Heimspiel gegen Schalke 04 sind über den Sitzplätzen die ersten Elemente des neuen Tribünendaches zu sehen. „Die Dachkonstruktion mit ihren 90 Tonnen schweren Stahlträgern ohne die Sicht beeinträchtigende Pfeiler ist für die damalige Zeit eine architektonische Meisterleistung, die zum Vorbild wird für andere Bundesliga-Stadien“, betont Borussias Stadion-Fachmann Dr. Jens Kelm immer wieder. Bis zur Fertigstellung des neuen Ellenfeldes (Gesamtkosten laut einer detaillierten Aufstellung vom Oktober 1966: 1,9 Millionen DM) wird die erste Saison im Oberhaus fast vergangen sein. An anderen Spielorten wird in dieser Zeit ebenso gebaut, aber wohl nirgendwo so umfangreich wie in Neunkirchen. Das Ellenfeld-Stadion war vor exakt 60 Jahren DIE Baustelle der Bundesliga! (-jf-)

Einige Bilder aus dem Borussen-Album zeigen die Umbau-Arbeiten am neuen Ellenfeld-Stadion in der zweiten Jahreshälfte von 1964 und den ersten Monaten in 1965. (Alle Fotos: Ellenfeld-Verein e. V. / Archiv Borussia Neunkirchen Hartung)

Der Ausgangspunkt: Das Ellenfeld – „ein in die Landschaft eingebettetes Plätzchen (…). Das entsprach der über Jahrzehnte gütigen Ästhetik des Sportstättenbaus“ (oben). Die Haupttribüne von 1930 wirkte im grünen Tal hinter dem Heusnersweiher wie ein Solitär“ (unten / Tobias Fuchs und Jens Kelm in: 100 Jahre Ellenfeld).

Die unzureichende Spielfeldbreite machte auch den Abbruch der Stehränge auf der Gegengeraden notwendig (oben und unten).

Die Fundamente der mächtigen Spieser Kurve werden gelegt (oben), die Stück für Stück mit ihren Betonstützen bis 15 Meter in die Höhe wächst (unten).

Die alte Tribüne von 1930 wird im laufenden Spielbetrieb überbaut (oben), im März 1965 sind erste Elemente der Dachkonstruktion erkennbar (unten).

Es ist vollbracht: Das neue Ellenfeld aus der Luft (oben) und während eines Bundesligaspiels von den Wiesen der Schlossbrauerei aus betrachtet (unten).

2 Kommentare

  1. Habe leider die ganz großen Spiele von der Borussia versäumt (zu jung), aber viele Spiele in den siebzigern gegen den FKP gesehen, dann haben sich durch den Zweitliga Aufstieg die Wege einige Jahre getrennt…und umgekehrt…

  2. Überragender Bericht, auch die Stadionführungen lesen sich hervorragend.
    Tolle Sache Jens.
    Immer wieder Gänsehaut!!!
    Hoch lebe Eisen

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